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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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ein paar Ave Maria mehr und eine Münze in die Armenkasse. Octavian beklagte sich über das schlechte, wenige Essen und trieb sich meist in der Küche herum, wo er die Küchenmädchen bezirzte und sich füttern ließ.
    Philipp störte es am meisten, genauso gekleidet zu sein wie alle anderen. An ihrem freien Nachmittag sah man an ihrer schwarz-roten Pfaffenverkleidung mit weißer Halskrause von Weitem schon, woher sie kamen. Aber Vater hatte bei Vikar Borgia verlangt, dass sie allen Studenten gleichgestellt waren, dass sie ihr Verlangen nach Pracht und äußeren Ehren abtöteten. Einmal in der Woche trafen sich Octavian, Philipp und ein paar Mitstudenten in der deutschen Gaststätte ›Zur Löwentatze‹, nahe der Bauruine über dem Petrusgrab, debattierten über philosophische und theologische Ereignisse aus aller Welt.
    An Philipps Seite war Jeremias Krasser, ein Papierfabrikantensohn, der auf Wunsch seines Vaters ebenfalls die kirchliche Laufbahn einschlagen sollte, nachdem seine Familie ein Vermögen aus Hadern gezogen hatte.
    »Ein Kardinal oder Bischof in der Familie, das würde das Papier meiner Familie erst recht zum Leuchten bringen«, spottete Jeremias. Zum Zeitvertreib fingen sie an, die Anekdoten aufzuschreiben, die die Studienkollegen aus dem ganzen Reich berichteten. Dazu befragten sie Römer und Präfekten. In nummerierten Abschnitten sammelten sie Hinrichtungen, Seeräubereien und Wunderheilungen, auch wenn letztere aus der Erinnerung des Löwentatzen-Wirtes stammten und wer weiß wie alt waren.
    Jeremias schickte seine Novitäten, wie er es nannte, per Taxiskurier nach Augsburg und Philipp schrieb es für Adelaida ab. So hatte er etwas, um seine Schmachtbriefe an sie zu bereichern und sie mit dem Neuesten aus aller Welt zu unterhalten.
    Den Kopf von Weltpolitik erhitzt, die Finger nur von Tinte, nicht mehr von Erde schwarz, schlenderte er in den lauen römischen Abendstunden in Begleitung seines Dieners, den Vater ihm endlich bewilligt hatte, an der Mauer des päpstlichen Gartens entlang und stellte sich vor, was sich wohl dahinter verbarg.

6. Der Springbrunnen
    Anna erwachte im Dunkeln und schmeckte Blut, das ihr in den Mund gelaufen war. Der pochende Schmerz an Kiefer und Nase rief ihr das Geschehen ins Gedächtnis zurück. Befand sie sich im Karzer, den ihr die Nonne angedroht hatte? Es fühlte sich eher wie eine Gruft an. Anna traute sich nicht, die Arme auszustrecken, womöglich würde sie gleich an Erde oder kalte Mauern stoßen oder, sie schauderte, Gebeine. War sie lebendig begraben worden? Ein pochender Schmerz in ihrem Gesicht. Sie tastete über den Nasenrücken und fühlte eine starke Schwellung. Die Hundsnonne hatte ihr die Nase gebrochen. Auch neben dem Kinn spürte sie eine Beule. Mit der Zunge fuhr sie die Zähne entlang, wenigstens wackelte nichts. War mit ihren Geschwistern dasselbe geschehen, mussten sie auch erst ein schleimiges Kreuz küssen und dann in einem Loch verenden? Was hatten sie mit der kleinen Mechthild angestellt? Wo waren ihre Brüder hingebracht worden? Albert, der immer so tapfer sein wollte, und Julius, Anton und Raymund. Hoffentlich waren sie wenigstens alle zusammen und Virginia bei ihnen. Wenn Anna an ihre Schwester dachte, könnte sie zerspringen. Virginias ›Lass es sein‹ stach sie wie Nadeln. Sie hatte sie aus der Kutsche gedrängt und aufgefordert sich zu fügen. Anna schnaubte aus, zugleich brachte sie der Schmerz in ihrer Nase zum jaulen. Ihr Kleid klebte vor Feuchtigkeit. Wie lange moderte sie hier schon bewusstlos vor sich hin? Mit den Augen suchte sie Stück für Stück die Dunkelheit ringsum nach einem Lichtschein ab. War es finstere Nacht oder befand sie sich wirklich unter der Erde? Ein kalter Luftzug über ihrem Kopf. Sie wandte sich um und sah hinter einem herausgeschobenen Mauerstein zwei Sterne funkeln. Ein Loch, kaum größer als ihre Faust, die Mauer breiter als ihr ganzer Arm, sie könnte nie mit der Hand hinausgelangen und ein Lebenszeichen geben. Aber ersticken sollte sie anscheinend nicht. Erst jetzt merkte Anna, wie verkrampft ihre Beine waren, sie lockerte sie, versuchte sie auszustrecken, stieß an eine Tür mit Eisenbeschlägen. Sie reckte die Arme nach oben und berührte ebenfalls eine Wand. Blitzschnell krabbelte ihr etwas in den Ärmel, den Ellbogen hinauf bis unter die Achsel. Sie schüttelte sich, Schweiß brach ihr aus. Sie suchte unter dem Kleid, es krabbelte zwischen den Brüsten, überall. Doch sie fand das Tier nicht. War

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