Im Labyrinth der Fugge
Mir schien es sogar, deine Mutter regte ihn an, irrgläubige Schriften zu besitzen.«
»Meine Mutter ist konvertiert.« Philipp war froh etwas Aufbauendes beitragen zu können.
»Nun, Petrus Canisius ist unser eifrigster Hirte, scheint mir. Auch deine Muhme und fast alle Mitglieder deiner Familie sind zum wahren Glauben zurückgekehrt, wie erfreulich. Aber zurück zu den Büchern. Pater Canisius schrieb mir, dass dein Vater Bücher, die auf dem Index stehen, in einer seiner legendären Nischen verschwinden lässt, so als hätte es sie nie gegeben.«
»Auf den Index? Dann gehört Ihr der Inquisition an?«
»Inquisition bedeutet nichts anderes als Ausforschung, mein Sohn. Willst du uns dabei helfen?«
Philipp sollte gegen seinen Vater arbeiten und seine Bücher dem Papst zuspielen? Ihm wurde es heiß und kalt zugleich.
»Pater Canisius hat die Bibliothek bereits durchforstet und das meiste verbrannt, soviel ich weiß. Um welches Buch geht es da?«
»Um kein Bestimmtes, jede ketzerische Schrift, wie sie zum Beispiel Martin Luther oder einer seiner Nachfolger verfasste, gehört überprüft. Die Handschriften wurden verbrannt, bist du sicher?«
Philipp schwitze. Der Jesuitenkragen kratzte, er nestelte daran herum. »Ich habe die Scheiterhaufen selbst gesehen und in die restlichen Bücher im Haus hat Pater Canisius seinen Stempel gedrückt.«
»Dein Vater besitzt Manuskripte und Codici aus aller Welt, die Schädel’sche Weltchronik und die Manessische Liederhandschrift, dazu Waffenabhandlungen, griechische und hebräische Werke. Meinst du wirklich, die lässt er einfach so verbrennen?«
Philipp kam sich wie ein Wurm vor, der gleich vom päpstlichen Gockel verschluckt wurde. Wie konnte er nur so dämlich sein. Er hatte doch selbst gesehen, wie Vater die Bücher in Kisten verpackt hatte. Um die Nischen zu entstauben, ha! Wenn er die Bücher dem Papst verschaffte, würde die Inquisition seinen Vater dann verurteilen?
Er schien Philipps Unbehagen zu bemerken. »Keine Angst. Einen Fugger würden wir nie einer peinlichen Befragung unterziehen.« Pius lächelte. »Genauso gut könnten wir uns gleich selbst die rechte Hand abhaken.«
Das könnte das hinterhältige Vieh ja erledigen, dachte Philipp, und rieb sich das Handgelenk.
»Die Zecca«, sagte der Papst.
Philipp verstand nicht. Verglich er seine Familie mit dem winzigen Krabbeltier, das sich vom Blut seines Wirtes nährte und aufblähte, bis es abfiel?
Pius griff unter Gockel-Carlo, zog eine Münze hervor und gab sie Philipp. Auf der einen Seite zeigte das Silberstück wie auf dem päpstlichen Ring den heiligen Petrus beim Fischen und auf der anderen Seite den Fuggerischen Dreizack mit Ring. Das Handelszeichen seiner Familie. Und er hatte gedacht, nur der Kaiser und alle anderen Regenten auf der Welt gehörten den Fuggern, der Pontifex würde erst noch auf ihn, Philipp, den Großen, warten. Es brodelte in ihm. Warum hatte Vater ihn nicht eingeweiht? Wenn Philipp in der ›Goldenen Schreibstube‹ saß, vertrieb er sich die langatmigen Verhandlungen mit den Faktoren meist mit Tricktrack, irgendein Knecht fand sich immer, dem er beweisen konnte, dass er jedes Spiel gewann. Er hätte besser aufpassen sollen, was da gesprochen wurde, das begriff er nun. Zu spät. Nun stand er als Einfaltspinsel hier, hatte gehofft, die päpstlichen Blumen betrachten zu dürfen, und wurde stattdessen über den Welthandel seiner Familie aufgeklärt, vom Papst persönlich. Welche Schmach! Er reichte Pius die Münze zurück und der ließ sie wieder verschwinden wie ein Illusionist vom Perlach.
»Wie du bestimmt weißt, wickelt deine Familie den Ablasshandel für uns ab. Auch für den Bau des Petersdoms sammelten die Fugger das Geld ein. Doch seit Anton, der Oheim deines Vaters, tot ist, hat sich bislang kein würdiger Nachfolger gezeigt, der die Geschicke für uns lenkt. Wie du siehst, ist der Dom immer noch nicht fertiggestellt. Wir müssen erst herausfinden, wer der Fähigste von euch ist.« Er schwieg und musterte ihn.
Philipp wusste nicht, was er erwidern sollte. Es stimmte, einen Herrscher gab es nicht. Oheim Christoph und die anderen entschieden mit Oheim Marx gemeinsam, auch wenn Marx nach außen hin die Fugger vertrat. Seine Frau Sibylla, Mutters Schwester, war ebenfalls konvertiert. Und Pater Canisius als Papstspitzel berichtete alles brühwarm nach Rom. Womöglich benutzte er dabei noch die schnellen Fuggerkuriere, die an den lahmen Taxiskutschen vorbeigaloppierten.
Weitere Kostenlose Bücher