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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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schickt dir Grüße.«
    Diese Heuchlerin, dachte Anna.
    Schwester Susanna entrollte ein Pergament und las darin, dann musterte sie Anna. »Zuerst zu deiner stummen Freundin. Wie geht es ihr?«
    »Sie hat Fieber.«
    »Ach, Schwester Demetria macht das schon. Es gibt kaum eine Krankheit, die sie nicht kurieren kann.« Die Äbtissin schreibt mir, dass die Kleine vor einem knappen Jahr ins Kloster kam. Spielleute führten für eine warme Mahlzeit ein Possenspiel auf. Dazu hatten sie der Jüngsten der Truppe, die die Äbtissin für die Tochter des Seiltänzers hielt, eine kleine Benediktinerkutte geschneidert. Als sie wieder abgezogen waren, tauchte die Kleine dann zwischen den Weinfässern auf und blieb seitdem.« Susanna entrollte das Pergament und zitierte: »›Trotz vielfacher Bemühungen, lernte sie weder Lesen noch Schreiben, ihrem Mund entfuhr niemals ein menschlicher Laut, aber für Botengänge und einfache Küchenarbeiten ist sie geeignet.‹«
    Ausbildung! In Anna begann es zu brodeln. Sie hatte die Winznonne nie im Unterricht gesehen und Sprechen war sowieso verboten gewesen. Und weil keiner für die Schinderei und das Hungern bezahlte, wollten sie die Winznonne nun loswerden.
    »Sie kann sich nach ihrer Genesung bei uns als Hilfsmagd verdingen«, sagte die Priorin. »Leider habe ich auch schlechte Kunde, Anna, du musst jetzt sehr stark sein.«
    »Ich weiß, ich soll wieder nach Kühbach.« Anna wollte sich gerade erheben.
    »Das geht nicht, tut mir leid. Aber wir werden unser bestes geben, damit es dir hier auch gefällt.«
    Anna sank in den Stuhl zurück. »Wie …, wie geht es meinen Geschwistern, Mechthild und meinen Brüdern?«, stammelte sie.
    »Deinen Brüdern geht’s gut, soviel ich weiß. Sie werden im Kloster Holzen, ebenfalls bei den Benediktinern, untergebracht.«
    »Verlegt? Sie kommen nicht nach Augsburg zurück?«
    »Wir sind ein Frauenstift, Anna. Aber lass mich ausreden. Das Unwetter wütete auch in Kühbach, vermutlich ein Blitzeinschlag in den Kirchturm. Das Feuer verbreitete sich rasch, griff auf den Wohntrakt über. Deine Schwester Mechthild ist jetzt beim Herrn.«
    »Tot?« Annas Stimme überschlug sich. »Aber sie hustet doch nur, sie kann, wenn Schellebelle …, wenn Schwester Demetria …, wenn sie hierher kann, dann wird sie wieder …«
    »Lass uns für sie beten, Anna.«
    Die Priorin erhob sich und sprach eine Fürbitte. Anna rührte sich nicht, Mechthild, kleine Mechthild. Sie sah die wippenden, nackten Füßchen wieder unter dem hohen Kühbachtisch vor sich. Wie tapfer sie gewesen war, trotz verbundener Augen und verwachstem Ohr. Alles hatte er ihr genommen, wenn es ihn gab, diesen katholischen Gott da oben.
    Die Priorin beendete das Gebet, von dem Anna kein Wort wahrgenommen hatte, holte Luft und sprach, als hätte sie Mechthilds Tod damit abgehakt.
    »Pater Canisius hat mir erzählt, dass du eine begabte Malerin bist? Folge mir, ich zeig dir was.«

15. Die Basilikabilder
    In den nächsten Tagen war Anna so schweigsam wie die Winznonne. Sie nahm zwar die anderen Schwestern wahr, die sich um sie bemühten, zugleich fand sie kaum die Kraft, den Mund aufzutun, etwas zu essen oder zu sprechen. Es war, als hätte jemand die Flamme in ihr, die trotz allen Kummers nie ausgegangen war, mit einem Hauch gelöscht.
    So fügte sie sich ohne Murren in den Tagesablauf des Klosters, der sich von Kühbach kaum unterschied.
    In St. Katherina lebten sieben Nonnen und doppelt so viele Laienschwestern. Neben Martha würden auch einige andere an Weihnachten das Noviziat beenden und die ewigen Gelübde ablegen. Die Dominikanerinnen hatten sich mit ihrem Kloster eine beschauliche, in sich geschlossene Welt geschaffen, in der Männer nur am Rad, der Drehlade an der Pforte, vorsprechen durften. Die Ausnahmen waren Familienangehörige und Handwerker.
    Wenn Schwester Hildegard, die Cellerarin und Pförtnerin, einen Besucher verkündete, hoffte Anna vergeblich, es wäre einer ihrer Brüder, ihr Vater oder Sidonia. Bei den Gottesdiensten saß sie, den Augsburger Kirchgängern verborgen, mit den Novizinnen in der Bank auf der Nonnenempore. Zwischen den verschleierten Mädchen kam sie sich in dem gelb-braunen Kleid wie ein entflogener Paradiesvogel unter Albinos vor.
     
    Worte fand Anna nur für das namenlose Mädchen. Das Fieber war gesunken, die Kleine schlief sich gesund. Während sie an ihrem Bett wachte, kürzte sie für sie ein rotes Kleid, das sie ebenfalls in der Truhe gefunden hatte und das

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