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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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schwarzen Kinnbart und der eingesunkenen Brust glich sie wirklich einer Ziege. Bianka rannte davon und auch Anna wich am Fenster zurück, als sie sah, wer da durch das Tor schritt. Pater Canisius.
    »Wenn man vom Teufel spricht …«, dachte Anna.
     
    Wenig später bekam sie ihn zu Gesicht. Nach der Non bat Canisius sie, mit ihm ins Skriptorium zu gehen.
    »Wie gefällt es dir hier, Anna? Lieber ein Kloster ohne eigene Kirche als ohne Bibliothek.« Er klopfte auf eine verschlossene Truhe in den Wandnischen.
    Du Lügner, dachte Anna. Du schätzt doch Bücher nur, wenn katholisches Gesülze drinsteht. Sie biss sich auf die Lippen, als er ihre Hand nahm. Ein Jahr hatte sie ihn nicht mehr gesehen, das war das Beste daran gewesen. Wie hatte sie seine Ausdünstung nur vergessen können.
    »Schmierst du den Ring auch gewissenhaft, so wie ich es dir gesagt habe?«
    Anna nickte langsam. Wo hätte sie in Kühbach Schmalz herbekommen sollen? Und wenn, hätte sie es bestimmt nicht zur Ringpflege genommen.
    »Du weißt noch, was du mir damals versprochen hast?«
    »Ihr habt mir den Ring einfach übergestreift. Es war doch schon lange eine ausgemachte Sache, dass wir alle ins Kloster sollen.«
    »Zu eurem Wohl, mein Kind.«
    Anna lachte auf.
    »Das mit deinen Schwestern tut mir leid, Gott sei ihrer Seele gnädig. Die Äbtissin von Kühbach sagte mir, dass eine deiner Schwestern eine begabte Sängerin war. Bete, Anna, bete, dass sie das Fegefeuer bald verlassen darf.«
    Anna wollte ihre Hand wegziehen, aber er hielt sie fest umklammert. Virginia war bestimmt nicht im Fegefeuer, das durfte nicht sein.
    »Aber du hast dich gut erholt, wie mir scheint, und sogar Farbe im Gesicht.«
    Vor Wut, dachte sie.
    »Keiner will, dass du unnötig leidest.« Er tätschelte ihre Wange und ließ sie los. Hinter seinem Rücken wischte sich Anna mit dem Ärmel das Gesicht ab. Canisius klappte ein Schreibpult auf und zeigte ihr ein halb fertiges Pergament. Der lateinische Wortlaut war in einer Spalte fein säuberlich geschrieben. Es fehlte die Initiale, der große verzierte Buchstabe, mit dem der Wortlaut begann.
    »Ich dachte mir, dass du den machst. Trotz Buchdruck gibt es immer noch einige Handschriften, die kopiert werden sollten. Würde dir das gefallen?«
    Anna schluckte.
    »Natürlich müsstest du in der Herstellung und Verwendung von Farben unterrichtet werden. Bisher haben wir die fertig abgeschriebenen Handschriften in andere Klöster gegeben, um sie dort illustrieren zu lassen. Aber diese Aufgabe könntest du übernehmen. Es stünde dir sogar frei, selbst einen Buchstaben zu verzieren, wenn er in der Vorlage recht einfach gehalten ist. Ich bitte dich aber, mir solche Sachen vor der Ausmalung vorzulegen, damit es auch würdig ist und keusch bleibt. Schwester Ochata kann dich in der Farbenherstellung anleiten.«
    Ihre Wut war augenblicklich verflogen. Hier in einem Arbeitszimmer für sich allein ihre Tage zu verbringen, lernen, wie man Farben mischt und Handschriften kopiert …
    Canisius trat ans Fenster. Anna betrachtete ihn von hinten. Dieser knochige Mann mit schütterem Haar und Bart sollte Virginia vom Turm gestoßen haben. Wieso tat er nicht dasselbe mit ihr, sondern bot ihr an, Buchmalerin zu werden?
    »Ein reges Treiben da an der Pforte. Die rothaarige Kleine war bereits vorhin dort. Wer ist sie, irgendwie kommt sie mir bekannt vor?« Er wandte sich wieder Anna zu.
    Doch Anna war zu verdattert, als dass sie Biankas Namen über die Lippen brächte. Buchmalerin …
    »Schluss mit dem Firlefanz. Es wird Zeit, dass auch hier die Regeln verschärft werden.« Canisius sperrte eine der Truhen auf und zeigte ihr einige Handschriften. Sie vergaß augenblicklich alles um sich herum, sah sich schon im Mist nach Bleiplatten wühlen oder auf irgendeine andere Art Farben herstellen.
    »Diese Bücher sind Leihgaben, wenn sie gelesen oder abgeschrieben sind, schicken wir sie zurück. Doch sie sind eigentlich nicht für die Augen einer Frau geeignet, geschweige denn einer Nonne. Es sind Auftragsarbeiten für Bischöfe und Könige.«
    »Ihr lasst Bücher meines Vaters verbrennen und nehmt Auftragsarbeiten an, um verbotene Bücher zu kopieren, das verstehe ich nicht«, entfuhr es ihr.
    »Musst du auch nicht, Kind. Deine Aufgabe ist es, die Sachen, die dir vorgelegt werden, auszuschmücken. Wer weiß, vielleicht darfst du sogar eines Tages meine Lebensbeschreibung gestalten. Zu diesem Zwecke, und nur zu diesem, habe ich das anatomische Buch

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