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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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die ganze Fuggerfamilie, und es war nicht Gott oder der Teufel. Und wenn ein Teufel, dann ein nach Eigenurin stinkender. Sie musste hier heraus, und wenn sie sich dem Nächstbesten an den Hals warf, wie es Sidonia ausgedrückt hatte.
     
    Obwohl das Kloster sauber war und im Vergleich mit Kühbach einem Palast glich, befahl die Priorin es noch mal auf Hochglanz zu bringen, überprüfte selbst, ob die Tiegel und das Geschirr glänzten und der Strohsack in der Gästekammer frisch aufgefüllt worden war. Martha kicherte, als sie mit Anna an der Gästekammer vorbeiging und die strengen Anweisungen der Priorin hörte. »So ist sie immer, wenn Pater Canisius seinen Besuch angekündigt«, wisperte sie.
    Anna schwieg, sie war froh, Martha nichts über den Ring erzählt zu haben. Das Katherinenkloster hat den Ruf einer glorreichen Bibliothek und besitzt eine hervorragende Werkstatt zur Buchherstellung, hatte die Priorin gesagt. Anna wunderte sich, dass ihr Vater das nie erwähnte, wo sie doch Nachbarn zum Kloster waren.
    Martha führte sie zum Skriptorium. Sollte sie hier wirklich die Gelegenheit bekommen, zu schreiben und zu malen, Bücher herzustellen? Sie sah sich um.
    Nur zwei Pulte standen entlang der Fenster. Rinderhörner mit eingetrockneten Tintenresten steckten in den abgeschrägten Schreibplatten. Alles war sauber aufgeräumt und wirkte so, als hätte hier lange niemand mehr gearbeitet.
    »Man sagt, hier seien die kostbarsten Handschriften kopiert worden, sogar aus Übersee«, ergänzte Martha.
    Anna zog die Brauen hoch. »Das muss aber schon längere Zeit her sein, oder?« Auf zwei Querbrettern in der Wandnische lag ein Buch, keine Handschrift, sondern ein Druck. Anna strich über die Seiten. Andreas Vesalius’ ›De Humani Corporis Fabrica‹. Es enthielt Darstellungen von Skeletten und andere Ansichten des menschlichen Leibes. Ein nackter Mann, allerdings ohne Haut, war auch abgebildet. Dass dies hier für jede Nonne zugänglich einfach so herumliegen durfte?
    »Zeig her«, Martha spähte mit in das Buch. »So sehen die aus, wenn die nichts anhaben?«
    »Sag bloß du hast noch nie einen nackten Mann gesehen?«
    »Du etwa?« Martha musterte sie mit großen Augen.
    »Na ja, meine Brüder, Männer waren die noch nicht. Stimmt, du bist mit Schwestern aufgewachsen. Aber so sieht ein Mann ohne Haut aus.«
    »Igitt,« Martha verzog das Gesicht. »Steht da wieso man sie ihm abgezogen hat?«
    »Nein, es ist kein Abbild der Wirklichkeit …« Oder doch? Anna überlegte. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass man Leichen öffnete und das Innere eines Menschen studierte, auch wenn die Kirche das nicht duldete. Nur so konnte man den Krankheitsherd erkunden. »Es ist eine Darstellung, wie der Mensch innen aussieht. Mein Vater hatte auch solche Bücher.« Anna merkte, wie sie rot wurde.
    Martha kicherte. »Von wegen deine Brüder. Aber es freut mich, dass du wieder sprichst.«
    Anna wollte das Buch zuschlagen, da fiel ihr der Stempel ins Auge: Für die Nonnen von St. Katharina geeignet. P. C., stand da. Also auch hier zensierte er. Sollten die Schwestern von dem hautlosen Mann abgeschreckt werden? In den Nischen standen mit schweren Schlössern versehene Truhen. »Was ist hier drin?«, fragte Anna.
    Martha zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich auch solch Teufelszeug wie das Buch da.«
    Durch das geriffelte Glas der Fenster entdeckte Anna einen roten Fleck. Sie hakte eine Scheibe aus und hörte Bianka mit jemandem an der Pforte lachen. In dem roten Kleid gefiel sie ihr tausend Mal besser als in der Benediktinerkutte. Ihre kleine Freundin lugte durch die engen Gitterstäbe der Pforte und gab Zeichen. Mit wem verhandelte sie da? Nach wie vor verständigte sie sich mit den Händen. Sie hatte sich gut erholt, lief herum, half den Schwestern in Küche und Garten, erfreute alle im Kloster mit ihren Tierstimmen. Wie schon in Kühbach übernahm sie Botengänge, kritzelte was sie aufzutragen hatte auf die kleine Wachstafel, die sie samt Griffel um den Leib gebunden hatte. Doch ihr Gegenüber jenseits der Pforte schien nicht lesen zu können. Vielleicht war es einer der neugierigen Gassenjungen. Anna gönnte ihr den Spaß und wollte das Fenster wieder schließen, da hörte sie, wie Bianka das Meckern einer Ziege imitierte. Schwester Hildegard, die Cellerarin, eilte herbei und sperrte mit dem schwarzen Schlüssel, der an einem Gürtel um ihre Leibesmitte hing, die Pforte auf. Auch ohne Bleiplatten war Hildegard klapperdürr. Mit ihrem

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