Im Labyrinth der Fugge
Arm. Wein schwappte aus seinem Glas.
»Wohl bekomm’s!« Der Graf rülpste, kippte den Rest Wein in den Rachen und warf das Glas fort. Es zerschellte auf dem Marmorboden. Die anderen Gäste verstummten, sahen zu ihnen herüber, wandten sich jedoch wieder ihren Gesprächen zu. Zu viel Scherben lagen schon herum, da kam es auf ein paar venezianische mehr oder weniger nicht an. »Kräht es nur heraus.« Er streckte sich, legte den Arm um Philipp. »Ich habe meinen Neffen zum Alleinerben bestimmt.« Plötzlich schnellte seine schorfige, mit dunklen Flecken übersäte Hand hinter Philipp wieder vor und packte Canisius am Kragen. Er konnte nicht zurückweichen, ohne seine Soutane zu zerreißen. Der Graf zog ihn langsam zu sich herab, hauchte ihn weinschwer an und knurrte: »Woher dieser Sinneswandel? Ich dachte Eurer Jesuitenkolleg läge Euch am, wie sagt man …?« Wieder lachte er. Canisius wurde in eine Wolke aus Sauerwein gehüllt und starrte angeekelt in das von der Franzosenkrankheit vernarbte Gesicht.
»Aber am Ende habt Ihr gar keines.« Mit den dicken Ringen seiner freien Hand klopfte der Fugger ihm auf die Brust.
Canisius hüstelte. »Dass eine der Georg Fuggerischen nun vermählt ist, ist nicht …, ist nicht meine Schuld. Beschwert Euch bei Eurer Schwägerin Sibylla, die die Hochzeit ausrichtet, und fragt bei den Villingers nach. Ich habe mein Möglichstes getan.«
Der Graf ließ von ihm ab.
Canisius atmete durch, rieb sich den Hals. Diesmal hatte sein Auftraggeber wirklich über die Strenge geschlagen. Auch ihm wäre es lieber gewesen, die Fuggertochter wäre wie die anderen im Kloster verschwunden, aber irgendjemand musste den Wohlstand der Reichen doch weitertragen. So hatte er gewissenhaft und mit der Inbrunst seiner priesterlichen Berufung die bösen Geister, Hexen und Dämonen aus den zerwühlten Laken gescheucht und das Eheglück der Fugger-Villinger gesichert. Er musste weiter denken, als bis zu dem versiegenden Geldsäckel seines einstigen Auftraggebers. Wenn der sein ganzes Geld nun diesem goldenen Raubvogel vermacht hatte, dann … Ja, was dann? Das Grundstück hatte er erhalten, aber das Gebäude fehlte noch. Ob Philipp als neuer Fuggerregent wirklich geeignet war? Canisius bezweifelte dies, aber selbst der Papst hatte ihn empfohlen, und der war unfehlbar.
Für Canisius war die Fuggerbekehrung mit dieser Hochzeit sowieso abgeschlossen. Es gab keine weiteren Verpflichtungen mehr und den Bau des Kollegs musste er sich durch andere Gelder beschaffen. Domprediger von und zu Augsburg und größter Exorzist der Welt, was wollte er mehr. Der ebenfalls große Anton Fugger, der verstorbene Oheim dieses Siechenkranken hier, hatte ihn seinerzeit in die Familie eingeführt, um seinen ketzerischen Söhnerinnen Ursula und Sibylla Luther auszutreiben. Nur leider tat der große Kaufherr seinen letzten Atemzug, bevor die Damen ihre erste Beichte ablegten. Noch auf dem Sterbebett teilte ihm Anton Fugger mit, wie sehr es ihn verbitterte, dass keiner seiner Söhne und Neffen in seine Fußstapfen treten und die Handelsgesellschaft weiterführen wollte. Erst als es ans Erben ging, zankten sich alle und die Kinderlosen waren die größten Schreihälse. So war die Zusammenarbeit mit dem goldbärtigen Fugger entstanden. Denn das Domkapitel und der Bischof unterstützen die Niederlassung der Jesuiten in Augsburg keineswegs. Er hatte sich an die Reichen gewandt, die durch ihre Stimmen im Stadtrat das Sagen hatten. Den Einfall mit der Teufelsverkleidung hatte Feddo selbst gehabt, als sie berieten, wie man die Bekehrung in Ursula Fuggers Haushalt anstellen könnte, wo sogar die Dienstboten Heilkräutern mehr trauten als der Absolution. Zu Schaden sollte dabei niemand kommen, keine Magd und auch Feddo nicht. Doch dann fügten sich die Dinge besser als geplant. Längst brauchte er den Kinderlosen nicht mehr, um noch mal beim Bischof vorzusprechen.
Was war der Goldbart schon dagegen, ein geduldeter Oheim der Braut, weiter nichts. Seine Tage waren gezählt. Eigentlich gehörte er ins Siechenhaus, aber bestimmt würde er sich auch daraus freikaufen. Canisius holte noch mal kräftig Luft und sagte: »Die Kirche wuchert nicht mit Zinsen, das ist Euer Betreiben. Wäret Ihr nicht ständig im Frauenhaus, sondern auf Brautschau gegangen, könntet Ihr selbst Nachkommen haben und müsstet nicht um Eurer Erbe bangen.«
Der Graf sprang auf, griff ihn an der Halskrause und zwirbelte den Stoff zusammen. Canisius glaubte schon,
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