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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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leergeräumten Bibliothek stürzte in sich zusammen. Die Erde bebte bis zum Katherinenkloster. In den Trümmern wurde Vater nie gefunden.

3. Die Beichte
    Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Der Tag der Einkleidung war gekommen. Ein letztes Mal kämmte Anna frühmorgens ihr langes Haar. Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und Seiner Barmherzigkeit. Sie befreite es von allen Nestern, wusch es in kaltem Wasser, trocknete es Strähne für Strähne und flocht es zu einem langen dicken Zopf, der ihr bis über die Hüfte fiel.
    Die Schlüssel des Himmelreiches will ich dir geben, sprach Jesus: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein. In ihrem weltlichen Kleid wartete sie in ihrer Kammer auf Schwester Hildegard, die Cellerarin. Am Vorabend der Profess hatte sie bei Pater Canisius gebeichtet, die Litanei klang ihr noch im Ohr. »Ich bereue, dass ich Böses getan und Gutes unterlassen habe.« Sie sah den Pater im Beichtstuhl nicht, roch ihn aber durch jede Ritze.
    Sie hatte gestehen wollen, dass sie log, feilschte und fluchte. Vielleicht würde sie auch zugeben, dass sie den Pater Stinkbeutel genannt hatte, sie nur an sich dachte und ihre Geschwister im Stich gelassen hatte. Doch dann war es aus ihr herausgeplatzt. »Ich habe…, ich habe…«
    Wo blieb Schwester Hildegard nur? Die Saumkanten des braunen Rockes und die gelben Ärmel waren inzwischen brüchig. Wenn das Kleid später in die Truhe zurückgelangte, taugte es nur als Lumpen noch. Sie hatte in den letzten Monaten so viel gelernt wie in ihrem ganzen Leben noch nicht. Alles saugte sie auf, und trotzdem war sie erst am Anfang ihrer Lehrzeit in der Buchmalerei. Canisius verdankte sie, dass sie hier war. Er verschaffte ihr Zugang zu Schätzen, die sie nie für greifbar gehalten hatte. Kühbach war eine dunkle Erinnerung, wie so vieles, das sie in sich begrub. Eines Nachts kam ihr sogar der Gedanke, dass der Pater nie in Kühbach gewesen war. Sie hatte Biankas Zeichnung falsch gedeutet. Wer weiß, wen die Kleine damals gemeint hatte. Anna durfte zeichnen, während andere das Kloster rein hielten, kochten oder in Gebeten verharrten. Sie studierte Handschriften aus Übersee, in Eisengallustinte geschrieben, wie das Evangeliar ›book of kells‹ und versuchte diese kunstvollen, irischen Kringel nachzuahmen. Nein, jemand, der ihr das ermöglichte, mordete nicht. Gerade zu lächerlich gering war der Preis dafür, nie zu heiraten und Kinder zu kriegen. Und außerdem, wer wollte schon eine mit einer schiefen Nase? ›Ich habe Euch verdächtigt, meine Schwester Virginia vom Turm gestoßen zu haben‹, beichtete sie dem Pater. »Diese schwerste von all meinen Sünden tut mir von Herzen leid. Herr erbarme dich meiner.«
     
    In der Sakristei saßen bereits die vier anderen Novizinnen mit kurzen Haaren. Anna zuckte unter den kalten Klingen, als Schwester Hildegard dicht an der Kopfhaut entlang schnitt. Das Ratschen der Schere drang ihr bis ins Mark.
    »Nicht weinen, Anna. Heute ist dein Freudentag. Ohne diese Haarlast wirst du dich leicht fühlen.« Leicht schon, aber nicht frei. Endlich löste sich der Zopf. Schwester Hildegard rollte ihn zu einer Schnecke zusammen, band eine Schleife darum und legte Annas braunen Zopf zu den anderen, einem hellen, einem schwarzen und einem roten, einem Rattenschwänzchen noch fast, in einen Korb.
    »Wofür bewahrt ihr die Haare?« Anna wischte sich die Nase mit dem Ärmel und berührte vorsichtig ihren kahlen Nacken. Gleich würde ein schwarzer Schleier ihre Blöße bedecken, für immer.
    »Die verkaufe ich. Einen Gulden das Stück.«
     
    Der Morgen des ersten Weihnachtstages war grau, die Schneelast drückte den Himmel und dämpfte das Läuten der Kirchenglocken. Im Zug der sechs Nonnen schritten die fünf Novizinnen durch den Kreuzhof in den Kapitelsaal.
    Anna musste sich als Erste mit Gesicht und Bauch auf den kalten Steinboden legen, die Arme wie Jesus am Kreuz ausgestreckt. Schwester Hildegard bedeckte sie mit einem großen schwarzen Tuch. Gedämpft hörte Anna die Nonnen einen Choral anstimmen. Nein, sie durfte nicht an Virginia denken. Sie musste alles loslassen. So fühlt es sich an, tot zu sein.
    Doch sie wurde hochgehoben und auf die Füße gestellt. Drei Mal gelobte sie: »Arm will ich sein, keusch und gehorsam.« Die Priorin überreichte ihr feierlich

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