Im Labyrinth der Fugge
Doch Oheim Christoph hatte nur sich selbst im Sinn gehabt, nichts sonst. War das die Prüfung gewesen? Wer gierig genug war, durfte regieren? »Was hast du von dem Langweiler gelernt? Leute quälen zum eigenen Vorteil? Hat er dir gezeigt, wie man seine Mitarbeiter durch die Kristallkugel überwacht? Die Kugel war doch hoffentlich auch bei dem Erbe?« Sie grinste ihn an.
Er kniff die Augen zusammen und überging ihre Frage. »Von Geschäften versteht ein Weibsbild nichts und eine Nonne schon gar nicht. Alles, was Anton Fugger von Vorfahr Jakob übernommen und weiter ausgebaut hat, musste in einer Hand bleiben. Wie sagt man so schön: Viele Köche verderben den Brei. Die Kurie schlug mich als neuen Regenten vor und in der ›Goldenen Schreibstube‹ stimmte man zu.«
»Du willst doch nicht behaupten, dass die Familie sich vom Papst vorschreiben ließ, wer das Oberhaupt werden soll?«
»Nach Vaters Tod blieb ihnen keine andere Wahl. Fast die ganze Gasse wäre in die Luft geflogen durch Vaters Eitelkeit, eine Rezeptur für den Kaiser zu entwickeln.«
»Was hat Vaters Unfall mit dem Geschäft zu tun?« Irgendetwas an Philipps Gerede machte sie stutzig, doch sie kam nicht darauf. »Vater war nicht mehr an der Gesellschaft beteiligt, aber Oheim Christoph wollte das Unternehmen nach Antons Tod auch nicht weiterleiten, keiner von Antons Söhnen und Neffen, soviel ich weiß.«
»Oheim Christoph versuchte das Vermögen zusammenhalten, bevor es Vater in Mitgiften und Erfindungen verschleuderte.«
Ach, deshalb sollte keine von ihnen heiraten, dachte Anna. Die Almosen ans Kloster waren geringer als eine Brautausstattung. Philipp urteilte über seine Schwestern, als seien sie Handelsware. Die Lehrzeit bei Christoph hatte er wirklich erfolgreich durchlaufen und gehässig war er schon immer gewesen. »Und das hat er dir auf dem Sterbebett anvertraut?«, fragte sie spöttisch.
»Ich habe es durch den Wärmeschacht gehört, eines Abends, auf Schloss Weißenhorn, als Pater Canisius ihn besuchte.«
Er hatte gelauscht, das sah ihm ähnlich. Aber Anna hatte selbst oft Dinge belauscht, die sie eigentlich nicht hören sollte. Das konnte sie ihm nicht vorwerfen.
»Octavian und ich haben eine eigene Handelsgesellschaft gegründet«, fuhr er fort. »Die Georg Fuggerischen Erben. Wir betreiben Faktoreien in Madrid und Lissabon. Seide, Öl, Gewürze. Gerade verhandeln wir mit Goa, aber das wird dir nichts sagen.«
»Du meinst die portugiesische Kolonie in Indien?« Pater Canisius hatte erst vor Kurzem von den Missionierungserfolgen der Jesuiten erzählt. Dort gab es sogar eine Erzdiözese und auch die Inquisition, an Ketzern mangelte es nie auf der Welt. »Warst du schon dort, oder lässt du deine Diener reisen?«
»Du hast also eine Weltkarte studiert, das hätte ich dir gar nicht zugetraut. Aber Zeit hast du ja im Überfluss. Beschrifte eine Inselgruppe, die nach mir benannt wird, der spanische König tilgt damit seine Schulden. Die Ph…«
»Was willst du?«, unterbrach sie ihn. »Deine Errungenschaften aufzählen? Oder beichten? Dann wende dich an Pater Canisius, einer Nonne obliegt die Absolution nicht.«
»Du bist doch Subpriorin, Anna Fuggerin. Dank meiner Empfehlung, nur keine falsche Bescheidenheit.«
In Anna brodelte es. Was maßte er sich noch alles an, blies sich auf wie ein Geck. Die sieben Schwestern von St. Katherina hatten sie einstimmig im Kapitel gewählt, nur beim Priorinnenamt musste der Stadtrat seine Zustimmung geben. Sie stand auf und wollte gehen, bevor sie die Beherrschung verlor.
»Ich wollte dir mitteilen, dass du enterbt bist. Solltest du jemals versuchen zu fliehen, bist du mittellos. Wir haben deinen Erbteil in die Firma gesteckt. Also finde dich damit ab, dass du hinter diesem Gitter vertrocknest.« Er war auch aufgestanden und rief ihr nach: »Und behalte deine kurze Lebenslinie im Blick. Ein Teil der Prophezeiung ist bereits erfüllt.«
5. Das Ich
Wütend stapfte sie den Kreuzgang entlang. ›Wir, wir, wir‹, hatte Philipp unentwegt gesagt und dabei sich gemeint. Nicht mal die toten Geschwister berührten ihn und Octavian war ihm nur ein Handlanger.
Anna hielt inne. Die Säulen warfen lange, gleichmäßige Schatten, zwei Spitzen wie Hörner zogen sich auf den Platten entlang. War eine Ziege, vom Wirtschaftsteil aus, über die Mauer gesprungen und versteckte sich hier? Annas Herz pochte heftig. Sie ging langsam weiter und atmete auf. Nur der Zweig eines Busches warf diesen Schatten. Erleichtert
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