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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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ordentlichen Weg über die Pforte und durch die Zensur genommen. In den Nächten träumte sie davon, Heinrich zu gehören, aber am Tag war es für sie nur ein Gedankenspiel, nicht mehr als die Fabelwesen, mit denen sie die Manuskripte in den Büchern schmückte. ›Bedenkt, dass ein Weib, das lesen kann, auch Briefe von Liebhabern empfangen kann und könnte es schreiben, so wäre es in der Lage darauf zu antworten‹, hatte Pater Canisius damals zu ihrem Vater gesagt. Wie recht er hatte!
     
    Von ihrer Familie war ihr nur Sidonia geblieben. Sie hatte den Freiherrn Jacob Villinger geheiratet, mit oder ohne Liebeszauberbrot, das erfuhr Anna nicht. Sidonia liebte ihren Mann, obwohl ihre Ehe kinderlos blieb. Sie kümmerte sich um ihre jüngsten Geschwister, wenn Mutter auf Pilgerreise war. Anna lernte ihre kleinste Schwester Ursula und ihren jüngsten Bruder Johann nie kennen. Als sie nach Kühbach gebracht worden war, stand ihre Mutter kurz vor der Entbindung. Nun waren auch Klein-Ursula und Johann längst erwachsen und Annas Mutter vor sieben Jahren gestorben. Kurz vor München, auf dem Weg nach Jerusalem, brach sie, fünfundfünfzigjährig, zusammen. Weder die lebenden noch die toten Kinder hatten sie gekümmert, selbst das Ableben ihres Mannes hatte sie kaum wahrgenommen. Kurz vor ihrem Tod änderte sie ihr Testament und vermachte ihren gesamten Schmuck, auch das wertvolle Diamantkreuz, das die Fugger als Pfand des Kaisers erhalten hatten, den Jesuiten.
     
    Anna dachte an den ersten Weihnachtsfeiertag in St. Katherina. Mit sechszehn Jahren hatte sie an Marthas Stelle die ewigen Gelübde abgelegt. Nach der Terz warteten im Empfangszimmer viele Verwandte der Novizinnen und Anna wunderte sich, dass die Priorin auch ihr einen Besuch angekündigt hatte. Eigentlich wollte sie ihn gar nicht sehen. Andererseits war es gut, dass er gekommen war, so konnte sie am Tag ihrer Profess endgültig mit ihrem weltlichen Leben und ihrer Familie abschließen.
    Er hatte abgenommen, seine Wangen lagen auf der stark plissierten Halskrause auf und seine viel bestickten Kleider hingen an ihm wie an dem Teufelsbalg in seinem Keller. Als sie an das Sprechgitter trat, richtete er sich auf, und ein Funkeln belebte seine Augen.
    »Annakind.«
    Ihre Wut schmolz und Tränen verschleierten ihre Augen. Sie setzte sich dicht an das Gitter, ihm gegenüber, und spürte seine Wärme. Aber er konnte sie nicht in den Arm nehmen. Die vertraute Mischung aus Schwefel, Wein, Schweiß und Lavendel zum Übertünchen, stieg ihr in die Nase.
    »Warum, Anna.« Er beugte sich vor, drückte eine Hand ans Gitter. »Ich kann nicht glauben, auch wenn du eine Frau geworden bist, dass du Gefallen am Beten …«, er sah sich um und verzog das Gesicht, »… und Frömmeln gefunden hast? Wo bleibt die Alchimistin in dir?«
    Anna schwieg. Seine Fingerspitzen waren blau verfärbt. Welcher Versuch war ihm diesmal missglückt?
    »Du willst also wirklich aus freien Stücken Nonne werden?« Sie schwieg weiter.
    »Dein Oheim Ulrich ist in Heidelberg. Er hat sich mit der Familie überworfen, nachdem ihm keiner mehr Geld leihen wollte.«
    Warum erzählte er ihr das? Virginia und Mechthild waren tot und er redete von diesem Widerling.
    »Ich dachte, du bist vielleicht erpicht darauf, zu erfahren, was aus meinen Büchern wurde.«
    »Papa.« Anna seufzte. »Severin hat sie verbrannt, im Auftrag von Pater Canisius, das weiß ich schon.«
    Georg presste sein Gesicht ans Gitter und flüsterte. »Nicht alle … Um ehrlich zu sein, sogar nur einen ganz kleinen, unbedeutenden Teil.«
    Hildegard von Bingens Handschrift war also unbedeutend gewesen, aber es war ja Annas Verschulden, dass sie verschmiert worden war.
    »Ich habe Ulrich den größten Teil meiner Sammlung anvertraut, an dem Tag, als Maria beigesetzt wurde. Und der Kurfürst hat ihm mit diesem Grundstock in Heidelberg eine Bibliothek ermöglicht. Was sagst du dazu?«
    Über Bücher konnte er reden, das war sein Leben. Nun war es auch ihres geworden, ihre einzige Leidenschaft. »Virginia und Mechthild sind nicht einfach an einer Krankheit gestorben, Vater. Es ist ein Komplott, angezettelt von Oheim Ulrich.«
    »Oheim Ulrich?« Ihr Vater lachte sein eigentümliches Lachen und schlechter Atem schlug Anna entgegen. Die anderen Besucher schüttelten die Köpfe.
    »Warum sollte Ulrich das tun? Er hat genug eigene Sorgen.« Er flüsterte wieder. »Ich verdanke ihm viel, Anna. Auch wenn er ein Schmarotzer war und für sein Liebesleben

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