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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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erreicht, was er wollte.
    »Anna Fuggerin.« Canisius ließ seinen Arm sinken und faltete die Hände auf dem Rücken ineinander. »Auch ich möchte dir etwas beichten.«
    Beichten, ihr? Sie setzte sich auf die Bank unter der Eiche, wo sie damals die ersten Galläpfel mit Schwester Ochata gepflückt hatte. Canisius machte einen Augenblick lang Anstalten, sich neben sie zu setzen, doch dann knickte er ein. Sie glaubte, er falle und wollte ihm schon aufhelfen, aber er kniete vor ihr, streifte mit seiner Brust ihre Beine. Sie wich so weit es ging zurück, verkrampfte ihre Arme. Was sollte das?
    »Bei allen Adligen und Gönnern, Anna, auch wenn ich deine Bilder dem Pontifex persönlich vorlegen würde, und glaube mir, sie würden ihm gefallen, vergiss eines nie …« Er schluckte, sie sah, wie sich Speichel in seinen Mundwinkeln sammelte. Sie versuchte, an ihm vorbei irgendwo in den Garten zu schauen, den Blumenduft einzusaugen, aber sein Geruch hüllte sie ein. Da vorn war ein Kind vergraben und er sabberte hier.
    »Pater, nichts für ungut, wollt Ihr nicht aufstehen?«, fragte sie zaghaft. Ihr selbst war es unmöglich sich zu bewegen, ohne ihn zu berühren.
    »Ich bin noch nicht fertig, höre mich an. Kein anderer als meine Wenigkeit ist größter Verehrer und Anhänger deiner Kunst.« Er schluchzte. »So …, so etwas Schönes habe ich im Leben noch nie gesehen.«
    Sprach er von ihr oder den Bildern? Er wischte sich die Augen. Anna war froh, dass die Abendsonne hinter der Mauer verschwand und die Dämmerung einsetzte. Sie spähte zu den Fenstern hinauf. Wenn jemand sie sah?
    Canisius krümmte sich und sank zusammen. »Du bist ihr so ähnlich.«
    »Von wem sprecht Ihr?«, fragte sie. Im Kloster wurde gemunkelt, dass der Pater mehr leibliche als geistige Exerzitien mit der Priorin verrichtet hatte, aber mit der kleinen, fülligen Frau hatte Anna nur die Kutte gemeinsam.
    »Auch wenn sie nichts vorzuweisen hatte, außer das Tor zur Welt für mich gewesen zu sein. So glich sie dir, du reines vollkommenes Weib.«
    Tor zur Welt? Ihr fielen die Worte ein, die der Teufelsmönch damals zu Schellebelle gesagt hatte. Er nannte das Tor zur Welt, die Hölle, in die sein Beelzebub gehörte.
    »Zu früh ließ mich meine Mutter im Stich, sodass ich ihr Antlitz vergaß. Erst als ich damals die Truhe in deinem Elternhaus öffnete und dich darin vorfand, offenbarte sich mir, was ich verloren hatte.«
    »Habt Ihr den Mönch beauftragt, sich als verkleideten Teufel in unser Haus zu schleichen?«
    »Kein Auftrag, Anna, nur der Anfang von einem Spiel. Wir wollten Luther aus deinem Elternhaus mit dem Teufel austreiben.«
    »Wer wir?«
    »Dein Oheim Christoph, Gott sei seiner Seele gnädig, und einer meiner Schüler bot sich an, sich zu verkleiden.«
    »Was für Euch Spiel war, brachte meinen Geschwistern den Tod.«
    »Das wollte ich nicht, glaub mir. Ihr solltet alle ins Kloster, weiter nichts.«
    »Warum Virginia? Was hat sie Euch getan?«
    »Ein Unglück, Liebste. Ich habe sie nicht gestoßen, sie fiel von ganz allein. Ich wollte nur die Dokumente zurück, die deine Schwester aus der Äbtissinnenkammer genommen hatte. Sie ist damit auf den Turm gerannt, ich hinterher …«
    Anna schnürte es die Kehle zu, sie rutschte auf der Bank zur Seite.
    »So bleib doch, ich weiß bis heute nicht, ob die Spendenbriefe mit verbrannt sind, es war nicht mit Absicht, so glaub mir.« Er griff ihre Hände. Anna schüttelte sich angewidert, riss sich los und sprang auf. Sie hatte es nicht wahrhaben wollen, ein Heiliger wie Canisius konnte kein Mörder sein. Alles geriet aus den Fugen.
    Sie musste Bianka finden.

8. Die Gravur
    Im Haus war alles seltsam verlassen. Das Feuer im Kachelofen brannte, Anna legte ein paar Scheite nach und entzündete eine Laterne. Sie lief an den Zellentüren entlang bis zum Laiendormitorium. Die Betten waren in Reih und Glied fein säuberlich gemacht, keine Menschenseele weit und breit. Wo waren sie alle? Wenigstens Schwester Hildegard musste an der Pforte sitzen und würde ihr Auskunft geben. Aber auch das Pförtnerhäuschen der Cellerarin war leer. Stickgarne und eine halb angefangene Altarstola lagen auf dem Tisch, sogar die eingefädelte Nadel steckte im Stoff. Darunter ragte der Eisenbund mit den vielen Schlüsseln hervor, den Hildegard gewöhnlich bei sich trug. Anna starrte darauf. Sollte sie die Schlüssel nehmen, aufsperren und davonlaufen? Sie würde bei Nacht allein durch ein Augsburg irren, das sie das letzte Mal vor

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