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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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viel Mitleid hatte er nicht mehr aufbringen können, sich mit ihr abzugeben. Er spähte durchs Schlüsselloch der Tür neben Susannas Wohntrakt. Dort drin war es finster. »Anna?«, rief er so leise wie möglich und öffnete die Tür. Mit einem Bett, einem an die Wand geschraubten Tisch, einem Stuhl und einer Truhe glich sie jeder anderen Zelle. Ein kleines, in rotes Leder gebundenes Buch lag auf dem Tisch. Canisius setzte sich und schlug es im Schein der Kerze auf. Anna Jacobäa Fuggerin, stand auf der erste Seite. Mit zittrigen Fingern strich er über ihre schön geschwungene Handschrift und blätterte weiter. Er hatte ein Gebetsbuch vermutet. Es glich zwar einem Stundenbuch, wie es viele Nonnen besaßen, doch war es in einer unverständlichen Sprache verfasst. Kunstvolle Bilder schmückten die Seiten, aber auch laienhafte Zeichnungen wie von einem Kind. Pergamentblätter und einfaches, schlecht gehadertes Bütten, auf dem die Tinte ausgelaufen war. Und hinten, ihn schauderte, waren die Blätter ganz und gar schwarz eingefärbt. Hatte er das Werk einer Besessenen vor sich? Er entzündete Annas Kerzen. Sie hatte ein halbes Dutzend davon, wahrscheinlich schrieb sie nachts. Nein, er konnte sich nicht so getäuscht haben. Er hatte sie doch wieder und wieder geprüft, diesen Hang zur Andersartigkeit legte sie in der Jugend, dank seiner Zurechtweisung, ab. Und wie er vorhin festgestellt hatte, trug sie noch immer seinen geweihten Ring. Kein Höllenbub würde es wagen, sie zu berühren. Er atmete durch und straffte sich. Er musste sein Herz im Zaum halten und mit dem nüchternen Blick eines Apothekersohns erst einmal erforschen, was er da vor sich hatte. Für Vermutungen war es zu früh. Die Niederschrift war gleichmäßig in einer gestochen scharfen Schrift verfasst. Ab und zu schien sie die Feder gewechselt zu haben, aber die Buchstaben waren von ein und demselben Geschöpf verfasst worden. Besessene waren unberechenbar, sie schmierten eher, als dass sie schrieben, kritzelten Beschimpfungen, satanische Verse, eben alles, was ihnen der Beelzebub eingab, das hatte er selbst schon erlebt. Anders hier, um welche Sprache handelte es sich? Kein Latein, Griechisch, Französisch, aber auch keine der Arabischen Sprachen, es waren lateinische Buchstaben mit verschnörkelten Minuskeln. Anna war doch nie über die Grenzen ihres Elternhauses herausgekommen, das bisschen Latein von Magister Geißfuß, oder wie der geheißen hatte. Flüsterte ihr der Höllenfürst all dies ein, auf eine neue, noch nie da gewesene Weise? Oder hatte es einen Gast gegeben, der ihr eine fremde Sprache beibrachte? Aber er war doch fast jeden Tag im Fuggerhaus gewesen, und die Hausherrin Ursula hatte ihm alles anvertraut, mehr sogar, als er überhaupt wissen wollte. Er stutzte, blätterte vor und zurück. Die Zahl Acht war immer wieder eingefügt, da und zwei Seiten weiter, und hier gleich zwei-, nein, dreimal auf einem Blatt. Die heilige Acht, seine Lieblingszahl, die würde der Satan nie aussprechen. Himmlische Heerscharen, es musste herauszubringen sein, was dieses Frauenzimmer da angefertigt hatte. So schnell wollte er sie nicht aufgeben. Das Buch war ein Fall für die Inquisition, das war offensichtlich, doch hinterher wollte er sich nicht vorwerfen, nicht alles versucht zu haben. Sie musste die Schrift codiert haben, aber wie? War sie klug genug, eine komplizierte Geheimschrift zu erfinden, oder hatte ihr Oheim Ulrich geholfen, dieser lutherische Büchernarr, ihm war so was zuzutrauen. Ein Weib allein und selbst wenn es Anna Fuggerin war, war dazu nicht fähig. Es musste einen Entschlüsslungscodex geben, den sie irgendwo aufbewahrte. Er hob den Truhendeckel, wühlte in ihren wenigen Habseligkeiten, tastete zwischen den Laken und leuchtete unters Bett. Er konnte es ihr nicht ersparen, die Inquisition würde sie nach einem Hexenmal absuchen, durch das ihr der Satan die Worte einstach. Wahrscheinlich verbarg sie den Codex an ihrem Leib, vielleicht sogar in ihrem achten Loch. Er würde sogar ihre blutigen Monatslappen durchsuchen, nur um ihr die Tortur zu ersparen. Anna, was hast du getan!
    Niedergeschlagen setzte er sich wieder und betrachtete die filigranen Zeichnungen, die mit weißer und sogar goldener Farbe gestaltet waren. Pflanzen rankten sich zwischen den Zeilen und Tiergestalten und kleine Figuren füllten Initialen, wie er sie auch bei den Auftragsarbeiten, die er ihr verschaffte, so bewunderte. Ein solche Künstlerin sollte eine Buhlerin des

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