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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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einer, die draußen Unkeuschheit treibt, mit wem auch immer, und sogar einen Balg gebiert«, zischte ihr der Pater ins Ohr.
    Das Ave Maria brandete auf. Canisius schürte den Geifer.
    Ganz schwach zitterten die nackten Beine ihrer Freundin. Anna begriff. Das Kind im Garten stammte von Bianka und Hörmann. »Nein, nein!«, schrie sie und schlug um sich. Doch Canisius hatte mehr Kraft als vermutet, wie mit einer Eisenklaue fing er ihre Schläge ab und umklammerte sie von hinten.
    »Reinigt sie!«, befahl die Priorin, ganz in seinen Worten.
    »Los, Anna, nun du!« Er stieß sie vorwärts. »Steig auf sie drauf und befreie sie vom Ketzerdämon.« Sie kratzte und biss. Plötzlich verfing sie sich in seiner Soutane. Ihr graute es, womöglich gleich seinen Bauch zu berühren, aber überall war Stoff, er hatte sich inwendige Beutel genäht. Sie umfasste etwas kaltes Hartes, den Silberdolch. Du vermaledeiter Stinkbeutel!
    Bianka sah sie aus halb geöffneten Augen an. Ein Rinnsal Blut lief ihr aus dem Mund. Anna wollte ihr aufhelfen. Da trat Demetria vor und sprang mit voller Wucht auf Bianka. Ihr Brustkorb brach mit lautem Knacken.

11. Die Zeitrechnung
    Drei faltige Krähen beugten sich über Annas Bett. »Vielleicht ist es der Friesel«, sagte Schwester Ochata. »An dem ist mein Bruder gestorben.«
    »Friesel?«, Schwester Demetria wischte Anna den Schweiß von Gesicht und Hals. »Dem Geruch nach handelt es sich eher um das pestilenzische Fieber.«
    »Die Pest?« Schwester Hildegard schrie auf und wich zurück. »Nein, nein, nicht die Beulen- oder Lungenpest. Ein Fieber, das auch der englische Schweiß genannt wird, die Seefahrer brachten es ins Deutsche Reich.«
    Anna nahm dies alles nur durch halb geöffnete Lider wahr. Ihr war so schlecht, sie erbrach sich in eine Schüssel, eine zweite hatte sie unter den Hintern geschoben.
    »Sie braucht mehr Flüssigkeit, sonst vertrocknet sie uns.« Demetria flößte ihr Wasser ein. »Wenn es bis morgen nicht besser ist, sollten wir doch den Stadtmedikus holen.«
     
    Jemand zog an ihrem Arm, zerrte sie von ganz weit oben herunter, wo sie diesem hellen Licht zum Greifen nah war. Sie erwachte vom Schlagen auf ihre Armbeuge. Medikus Occo, faltig und im Alter zusammengesunken, klopfte auf ihre Vene, um weiter Blut abzapfen zu können. Er lächelte sie an.
    Sie lächelte zurück. »Das war knapp, meine Liebe. Wir hatten dich schon fast aufgegeben.« Erst jetzt hörte Anna die Schwestern, die sich betend um ihr Bett versammelt hatten. Und irgendwo tief in ihrem Gedächtnis lauerte das Grauen, wie hinter einer dicken Klausurmauer noch ausgesperrt. Sie wollte nicht zulassen, dass es von ihr Besitz ergriff, und schloss die Augen. Bianka war tot! Dann stürzte es auf sie ein.
    »Kommt, haltet sie«, rief Medikus Occo. »Bevor sie sich selbst verletzt.« Viele Arme pressten sie auf die Unterlage, sie war zu schwach, um sich zu wehren.
    Erschöpft gab sie nach. Die vielen Hände lösten sich von ihr. Sie hörte die Stimme des Medikus: »Ich werde mit ihrem Vormund, ihrem Bruder Philipp, reden. Anna braucht dringend eine Kur, bei ihrer Verfassung muss sie an die frische Luft außerhalb des Klosters. Am besten wäre eine Badekur auf dem Land.«
     
    Nach ein paar Tagen konnte sie zum Essen, mit vielen Kissen im Rücken, wieder aufrecht im Bett sitzen. Sie war noch zu schwach, um selbst den Löffel zu halten und bewegte nur träge den Mund.
    »Euer Bruder hat den Kurantrag des Medikus leider abgelehnt, Schwester Anna«, sagte eine Laienschwester, die Anna fütterte und die sie nicht kannte. War sie der Ersatz für Bianka? Nach ihrem Namen zu fragen, schaffte sie nicht. Die Leibschüssel war weg, sie trug ein frisches Unterkleid und lag in sauberen Laken.
    Wieder einmal hatte sie nur an sich gedacht und selbst bei ihrer besten Freundin nicht bemerkt, dass sie schwanger war. Hatte ihr Bianka nicht vertraut? Sie musste mit Hörmann reden. »Mei-ster Hör-mann«, die Worte glitten ihr kaum über die Lippen. »Kannst du ihn her-bitten?« Die Laienschwester nickte.
     
    Als sie das nächste Mal erwachte, erkannte sie den Mann nicht gleich, der da an ihrem Bett saß. Hörmann schien um Jahre gealtert, sein Gesicht war dunkel verfärbt, seine Wangen eingefallen. Er hockte, die Arme auf seinem dicken Bauch abgelegt, kraftlos da und starrte vor sich hin. Anna griff seine Hand. Er umfasste sie. Tränen tropften, beide weinten sie um Bianka.
    »Ich habe nicht gewusst, dass sie ein Kind erwartete«, sagte

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