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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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heim.«
    Albert brach zusammen. Die Geschwister jammerten und klagten. Reihum beugten sie sich über ihn und drückten ihm einen Kuss auf die Stirn. Mechthild, Raymund, Anton, Julius, Octavian, Virginia, Anna, Philipp und Sidonia. Bald glänzte Alberts Gesicht von Küssen und Tränen. Er hatte die Augen fest geschlossen und rührte sich nicht.
    »Was frevelt ihr der Toten?«, donnerte Pater Canisius in den Salon. »Singt und tanzt, während euer Schwesterchen vor Gottes Angesicht tritt!« Er versprühte Spucke wie sonst nur Weihwasser.
    »So hat es Schell…, Isabella mit uns gemacht, als letztes Frühjahr unsere Kammerfrau gestorben ist«, erklärte Anna.
    Donna sprang auf Canisius, krallte sich an sein Birett und spielte mit der Quaste. »Weg mit dem Ungeziefer.« Er schlug nach ihr. Das Äffchen rutschte seine Soutane hinab. Anna fing sie auf.
    »Abergläubischer Firlefanz!«, schimpfte er und richtete seine Kopfbedeckung wieder. »Du wirst deine Schwester nicht mit einer Zofe vergleichen. Schluss mit der Ketzerei. Solch schändliches Treiben gehört sich nicht. Betet besser in der Kapelle um das Seelenheil euer Schwester, wie es eure liebe Frau Mutter seit Stunden im Dom tut, auf dass Maria bald in die himmlischen Heerscharen fahren darf.« Er zog mit der Handkante ein Kreuz, murmelte dabei etwas Lateinisches und scheuchte sie wie Dienstboten hinaus.

36. Die Spinne
    Die Höhle des Löwen lag vor ihm, doch es war ohne Bedeutung. Kellenbenz würde dem Fugger den präparierten Hirschkopf bringen, seinen Lohn bekommen, als wäre nichts geschehen. Er folgte dem Diener durch den Torbogen zum Dienstboteneingang, hinauf in den Wehrgang. An den bunten Fensterscheiben entlang, die Kellenbenz nur von außen und bei Nacht kannte. Echtes Glas. Hatte Bianka auch hier gestanden, wie das Mädchen dort hinten, und die Fensterbilder betrachtet? Wo war seine Tochter hingebracht worden, wo wurde sie beerdigt? Sie war tot, stach es plötzlich in ihm, tot, tot. Das Mädchen weinte. Trauerte sie um Bianka oder war sie vielleicht die nächste, die sterben sollte? Und die anderen Kinder? Waren sie auch entführt worden? Wenn er doch nur reden könnte!
    Kellenbenz presste den Hirschkopf mit einem Arm an den Leib und tastete mit der freien Hand nach dem Dolch in seinem Gürtel, verfing sich mit dem Affenarmband an der Klinge. Er ging auf das Mädchen zu, der Fuggerdiener dicht hinter ihm. Wenigstens ihr musste er zur Freiheit verhelfen. Kurz vor ihr, lehnte er sich nach hinten und drückte den Diener an die Fensterscheiben. Lauf weg, versuchte er zu dem Mädchen zu rufen. Aber nur ein lautes »Aaauuu, eeehhh«, entfuhr seiner Kehle. Der Diener strampelte, als wäre er eine Fliege, die von einer dicken Spinne gehalten wurde. Das grünäugige Mädchen sah ihn erschrocken an. Nein, nicht vor ihm brauchte sie Angst haben. Sie sollte fliehen, jetzt auf der Stelle, bevor der Tumult losbrach. Er hob den Dolch und ließ die Klinge aufblitzen. »Iiii-aaaa-kaaaaa«, rief er. Sie musste seine Tochter gekannt haben. Wie war sie gestorben, bitte, bitte sag es mir, flehte er mit den Augen.

37. Das Armband
    Anna lief in den Wehrgang und hakte eine der bunten Scheiben aus. Gleich würde Canisius behaupten, dass Maria auch vom Teufel besessen gewesen war. Sie stellte sich vor, wie die Seele ihrer kleinsten Schwester einer Flaumfeder gleich zwischen den Wolken verschwand. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie hörte Schritte. Severin kam mit einem großen, breitschultrigen Mann, der etwas Eingewickeltes vor sich her trug. Seine gedrungene Gestalt in grobem Kittel und sein tiefliegenden runden Augen erinnerten sie an den Bären im Zwinger des Perlachturms. War das nicht der Kürschner, der oft mit seinem pelzbeladenen Karren vor dem Eingangstor stand? Was verbarg er unter dem Tuch, eine Kugel mit Stangen? Er kam auf sie zu, blieb stehen. Erst dachte sie, er wollte sich mit seinem Bündel nur an ihr vorbeidrücken. Severin, dicht hinter ihm, zappelte an die Fenster gedrückt. Dann sah sie einen Dolch aufblitzen und unter dem Tuch lugten Hörner hervor. Ihr stockte der Atem. Hörte es denn nie auf. Der Bärengleiche rief etwas. Es klang, als wenn er Schmerzen hätte. Die Klinge in seiner Hand, das war doch der Silberdolch des Teufelsmönchs. Sie drehte sich weg und ließ die beiden vorbei. Severin wandte sich hinter dem Kürschner hervor und beide verschwanden hinter der Tür zum Alchimistenturm. Hatte ihr Vater das mit Schellebelle angeordnet und plante

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