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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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dass er immer noch diesen Brief in Händen hielt.
    Wer hatte seinem Neffen geschrieben?
    Er fragte selten, was Cornelius den ganzen Tag über trieb, wollte einzig wissen, ob sie nicht endlich nach Deutschland zurückkehren konnten. Hartnäckig schob Cornelius es auf und trotzte den Vorwürfen seines Onkels mit eigenen: dass er zu viel trinke, dass er das wenige Geld verspielen würde, dass er sich endlich zusammenreißen solle.
    Zacharias musterte den Brief. Das Papier war fleckig, die Schrift jedoch gestochen scharf.
    Vielleicht kam dieser Brief von Deutschland und hatte mit der möglichen Heimreise zu tun?
    Rasch riss er ihn auf. Das Papier war an den Rändern feucht geworden. Manch ein Wort war unleserlich, und sein Gehirn war zu benebelt, um die anderen schnell zu lesen. Doch schließlich erfasste selbst sein lahmer Geist den Sinn.
    Siedend heiß stieg es ihm ins Gesicht, als er erkannte, wer der Absender des Briefs war.
Geliebter Cornelius,
ich trachte nun schon so lange danach, Dir zu schreiben. Oft habe ich mir in Gedanken ausgemalt, endlich zur Feder zu greifen, doch es war unmöglich, ein Stück Papier zu ergattern. Nun endlich … endlich ist es so weit. Ich weiß nicht, wo Du bist, ich weiß nicht einmal, ob der Brief Dich tatsächlich erreichen wird, aber zumindest kann ich es versuchen, und ich bin voll der Hoffnung, dass Du diese Worte lesen wirst.
So vieles geht mir durch den Kopf, so vieles gibt es zu berichten, dass ich gar nicht weiß, womit ich beginnen soll.
Seit einem Jahr leben wir an dem großen See – die Kolonisten nennen ihn Lago de Valdivia, die Einheimischen Llanquihue. Bei unserer Ankunft hatten sich erst einige wenige Familien hier niedergelassen, doch mittlerweile sind immer mehr daraus geworden, und besonders in den letzten Wochen strömen neue Ankömmlinge aus Deutschland herbei. Wir sehen nur wenige von ihnen, denn das Land ist riesig. Die Regierung hat es mittlerweile in Parzellen unterteilt, die die Chilenen Chacras nennen, wir hingegen Seehufen. Mit der Schmalseite grenzen sie an das Ufer, und sie sind fast hundert Hektar groß. Das klingt nach viel, und das ist es auch – nämlich vor allem viel Arbeit!
Erst vor kurzem haben wir eine Urkunde darüber ausgestellt bekommen, dass die chilenische Regierung uns dieses Land offiziell zugeteilt hat – ebenso wie Samen für die erste Aussaat (im Wert von fünf Pesos), außerdem eine Kuh, 200 Bretter und Nägel. Ein Joch Ochsen pro Familie hätte eigentlich auch dabei sein sollen, aber wir haben nur einen bekommen und müssen zum Pflügen die Kuh mit einspannen. Auf einen ordentlichen Wagen warten wir bis heute vergebens – wir haben gehört, dass es solche mit vier Rädern hier in Chile kaum gibt.
Ich sehe schon, ich komme mit allem durcheinander, was ich Dir schreiben will, und beginne mit dem Letzten zuerst.
Die Wahrheit ist, dass wir – als wir damals am See ankamen – noch ganz auf uns allein gestellt waren; die Bekanntschaft mit dem Kolonisationsagenten in Melipulli, der Land und Rationen verteilt, machten wir erst später.
Die Anfangszeit haben wir nur dank der Hilfe von Tirolern Familien überlebt. (Wie wir deren Bekanntschaft machten und warum wir nicht länger bei Konrad Weber leben, ist eine lange Geschichte; unmöglich kann ich alles aufschreiben, denn ich muss sparsam mit dem Papier sein.) Auf jeden Fall haben sich diese Familien am westlichen Seeufer, in der Nähe des Flusses Maullin, niedergelassen und wir nun auch.
Ach, wenn wir schon gleich nach der Ankunft gewusst hätten, wie leicht es ist, hier eigenes Land zu bekommen! Wie dumm waren wir, Konrad auf den Leim zu gehen!
Doch so leicht es ist, das Land zu bekommen – so schwer gestaltete es sich, es fruchtbar zu machen.
Zunächst galt es, die Waldbäume, im Übrigen regelrechte Riesen, mit der Axt niederzulegen. Nach der Zeit bei Konrad waren wir an diese Arbeit gewöhnt, desgleichen an den Schall der Axt und an das donnerähnliche Krachen, wenn einer der Bäume fällt. Jedes Mal blieben wir kurz ehrfürchtig stehen und waren stolz, dass wir wieder einen geschafft hatten. Und jedes Mal fragten wir uns im Stillen, warum es nicht schneller ginge und wann diese Schufterei endlich ein Ende finden würde.
Auch als wir ausreichend Uferland vom Wald befreit hatten, hörte die Arbeit nicht auf. Der Boden ist in Seenähe sehr sumpfig. Überall galt es nun, Kanäle anzulegen, damit das Wasser ablaufen kann. Doch bevor man solche Rinnen in den Boden schlagen kann,

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