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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Angst. Er öffnete die Tür.
    »Wo ist Ihr Neffe?«, fragte sie, sobald sie eingetreten war. »Schon wieder bei den Rothäuten? Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut!«
    Pastor Zacharias zuckte mit den Schultern. Erst jetzt bemerkte er, dass er Elisas Brief völlig zerknittert hatte. Er sollte ihn auf den Tisch legen, ihn glatt streichen – damit Cornelius ihn später lesen konnte. Cornelius, der noch nichts von diesem Brief wusste …
    »Sie wissen nicht viel über die Mapuche, nicht wahr?«, schrie Rosaria. Vielleicht schrie sie es nicht, sondern sagte es nur – in seinen Ohren klang es nichtsdestotrotz wie Schreien.
    »Grausame Krieger sind es, wenn man sie denn grausame Krieger sein lässt.« Sie bleckte die Zähne, kicherte. »Wir Spanier hatten lange mit ihnen zu kämpfen. Kennen Sie die Geschichte von Lautaro?«
    Zacharias schüttelte den Kopf.
    »Lautaro war ein großer Krieger. Genauso wie Caupolicán. Er hat vor langer Zeit Pedro de Valdivia besiegt, und wissen Sie, wie er ihn zu Tode hat kommen lassen?«
    Wieder schüttelte Zacharias den Kopf. Er wollte es gar nicht wissen. Doch Rosaria, die ungebeten ihren dicklichen Leib in die Mitte des Raumes geschoben hatte, beugte sich zu ihm und rief ihm schrill ins Ohr. »Er hat ihn gezwungen, flüssiges Gold zu trinken.«
    Zacharias fuhr zurück, als sie röchelnde, erstickende Laute machte, damit ihre Geschichte noch anschaulicher wurde. »Übel, nicht wahr?«
    Zacharias wunderte dergleichen nicht; ein verfluchtes Land war das, das hatte er immer schon gewusst. Die Menschen waren Wilde und Barbaren, und besser war’s, ihnen nicht zu nahe zu kommen.
    Weg von hier!, schallte es in seinem Kopf. Er musste weg von hier!
    »Gläschen Schnaps gefällig?«, fragte Rosaria, nunmehr nicht ganz so schrill. »Und ein Spielchen?«
    Ja, er musste dringend weg von hier!
    Aber wie sollte er Cornelius dazu bekommen – Cornelius, der seine Bestimmung gefunden hatte, diesem wilden Volk zu helfen, und der nun diesen Brief erhalten hatte?
    »Warum so zögerlich, Señor Suckow!«
    Es fiel ihm zum ersten Mal auf, dass sie ihn »Señor« nannte. In Deutschland hatte man ihn »Herrn Pfarrer« gerufen.
    Der Brief von Elisa raschelte in seinen Händen, als er ihn noch mehr zerknitterte. Die Mapuche, dachte er, und kurz fühlte er sich frei von dem Kopfschmerz, die Mapuche würden Cornelius nicht ewig in diesem Land halten, fühlte er sich im Augenblick auch zu ihrem Fürsprecher berufen. Aber Elisa von Graberg … Elisa wahrscheinlich schon.
    »Nun lassen Sie uns doch ein wenig Spaß zusammen haben!«
    »Hinweg, Weib!« Nicht nur sie zuckte ob seiner lauten, kräftigen Stimme zusammen, sondern auch er selbst. »Hinweg! So spricht der Prophet Jesaja: ›Weh denen, die Helden sind, wenn es gilt, Wein zu trinken, und tapfer, wenn sie starke Getränke brauen!«
    »Aber, Pastor …«
    »Hinweg, Weib, du falsche Schlange, du Hure Babylon, du Jezebel! Im Brief an die Epheser steht: ›Berauscht euch nicht am Wein, denn das macht zügellos!‹ Hinweg, hinweg!«
    Rosaria starrte ihn kopfschüttelnd an: »Mir scheint, Sie haben heute schon mehr als genug getrunken.«
    Zacharias hörte nicht mehr, was sie zornig vor sich hin grummelte, als sie nach unten ging, sondern war einfach nur froh, sie los zu sein. Er wankte zu dem Spiegel – das hieß: zu jenem kleinen Stück Glas, in dem man sich nie als Ganzes betrachten konnte. Das war auch gut so – wie hätte er den Anblick von seinem klebrigen Haar, seinen rotunterlaufenen Augen, den dicken Geschwülsten darunter auf einmal ertragen?
    Der Brief glitt Zacharias aus den Händen.
    Er sah erbärmlich aus.

    Abends wartete Zacharias auf Cornelius. In der Zwischenzeit war er kaum zur Ruhe gekommen, und selbst jetzt noch, da er ruhig auf einem Stuhl saß, konnte er sein erschöpftes Schnaufen nur mühsam verbergen.
    Er hatte seine Jacke gebürstet und das Bett gemacht, er hatte sein Haar gekämmt und sein Gesicht gewaschen. Selbst den Boden hatte er gefegt, und er hatte es gewagt – das war ohne Zweifel die größte Überwindung –, nach draußen zu gehen und beim deutschen Bäcker ein Stück warmes Maisbrot zu kaufen.
    Nun lag es auf dem Tisch, und obwohl es ausgekühlt war, roch es immer noch verführerisch. Er hatte es nicht angerührt, obwohl sein Magen nach all der Anstrengung knurrte. Cornelius blickte auf das Brot, dann auf ihn, schließlich schweifte sein Blick durch die Stube.
    »Was … was ist denn hier passiert?«
    Zacharias

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