Im Land der Feuerblume: Roman
eilten vielmehr in die Zukunft. Er hatte sich vom See abgewandt und blickte zweifelnd in Richtung Wald. »’s gibt nur wenig seichte Stellen am Ufer, ansonsten fällt es steil ab. Es wird mühselig sein, hier zu roden. Erst wenn wir genügend Fläche von dem Gestrüpp befreit haben, können wir überhaupt daran denken, Bäume zu fällen.«
»Der Boden ist feucht«, meinte Jule und ging prüfend ein paar Schritte. »Hoffentlich nicht zu feucht, sonst verfault uns jede Ernte.«
»Aber das Waldland bringt genügend Futter für die Tiere«, warf Fritz ein.
»Welche Tiere?«
Elisa hob verwundert den Kopf. Es war ihr Vater, der diese Frage eingeworfen hatte. Offenbar konnte er sich nicht mehr daran erinnern, was sie vor ihrer Flucht geplant hatten.
»Wir haben doch entschieden, dass ein Teil von uns bald nach Melipulli aufbrechen wird, um dort vom Kolonisationsagenten unseren Anteil an Saatgut und Tieren zu erbitten«, erklärte Annelie schnell. »Hoffentlich bekommen wir sie – Ochsen, Kühe, vielleicht sogar Pferde … Und bis dahin werden wir Unterschlupf bei Barbaras und Taddäus’ Leuten finden. Zumindest für die erste Zeit.«
Richards Gesicht wurde wieder ausdruckslos.
»Hoffentlich haben sie uns nicht zu viel versprochen«, Fritz warf einen zweifelnden Blick auf die Glöckners. Auch wenn er nun doch den richtigen Weg gefunden hatte, war sein Ärger auf Taddäus nicht gänzlich verschwunden.
»Zumindest Holz haben wir in Hülle und Fülle«, meinte Jule trocken. »Wir sollten zusehen, dass wir daraus möglichst bald die ersten Hütten bauen. So grün, wie hier alles ist, regnet es wohl häufig.«
»Wir könnten Flachs anbauen«, schlug Barbara vor. »Wir brauchen neue Kleider – wenn wir diese Fetzen noch länger tragen, stehen wir irgendwann einmal nackt da.«
Poldi kicherte ob dieser Vorstellung.
Annelie deutete auf die Schwäne im Wasser. »Wir könnten versuchen, das Vogelvieh zu jagen; wer weiß, vielleicht kann man deren Fleisch essen. Und Fische wird’s wohl auch geben.«
»Wir müssen genau überlegen, wer was machen wird«, schaltete sich Fritz ein. »Wir müssen unsere Kräfte gut einteilen – und uns aufeinander verlassen können.« Mit gerunzelter Stirn begann er, auf und ab zu gehen, als erstelle er im Kopf schon die ersten Arbeitspläne.
Poldi sprach schließlich das aus, was die meisten dachten, als die Erleichterung, endlich am See angekommen zu sein, nachließ. »Nichts gibt’s hier, gar nichts!«, rief er. »Alles werden wir selbst machen müssen.«
Keiner widersprach. Wie schon Elisa traten die übrigen Siedler ans Wasser, um sich notdürftig von Schlamm und Dreck zu reinigen. Poldi stürzte so hastig auf den See zu, dass er nicht merkte, wie sich sein Fuß in einem der Büsche verhedderte. Er stolperte, fiel zu Boden und purzelte auf das Ufer zu. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich an einer Wurzel festhalten, ehe er ins kalte Wasser plumpste.
Fritz schüttelte missbilligend den Kopf, Barbara Glöckner aber lachte laut auf. Hochrot war Poldi im Gesicht, als er sich erhob.
»Denkst du, du hilfst uns, wenn du ersäufst?«, fuhr Fritz ihn an.
Nun prustete auch Christl los; es klang nicht nur amüsiert, sondern auch hysterisch, und bald stimmte Katherl in das Gelächter ein. Nur Lenerl schwieg, faltete ihre Hände und sprach ein Gebet.
»Seht doch nur!« Lukas war zu Elisa getreten und deutete in die gleiche Richtung wie vorhin seine Mutter. Wenn man sich vorbeugte, sah man nicht nur Rauchsäulen, sondern auch Hütten.
»Und das sollen Häuser sein?«, knurrte Fritz. »Beim nächsten Sturm brechen diese Verschläge in sich zusammen. Wir müssen so bald wie möglich richtige Häuser bauen. Und wir müssen …«
Er zählte grimmig entschlossen all die Arbeiten auf, die sie würden verrichten müssen, doch Elisa hörte ihm nicht mehr zu.
Plötzlich stiegen Tränen auf, von denen sie nicht wusste, woher sie rührten. Nicht nur Erschöpfung ließ sämtliche Dämme in ihr brechen, sondern das Gefühl, endlich angekommen zu sein. Gewiss hatte Poldi recht, wenn er die viele Arbeit beklagte, die sie hier erwartete, aber das Land um den See schien ihr so vertraut, als würde sie nach einer langen Zeit der Sehnsucht eine alte Freundin endlich wieder in die Arme schließen.
Tränen perlten über die Wangen, als sie die Schönheit und die Wildheit des Sees, der Wälder, der Vulkane bewunderte – und als sie an Cornelius dachte. Sie konnte sich an keinen Augenblick der letzten
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