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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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anderthalb Jahre erinnern, in dem sie ihn nicht vermisst und sich nach ihm verzehrt hatte, doch nie war sein Fehlen so schmerzlich wie in diesem Moment.
    Wenn du nur hier wärest, dachte sie. Wenn du nur hier wärest, wenn wir uns gemeinsam freuen und Pläne machen könnten, wenn wir uns umarmen und den Moment genießen könnten, da unser Leben erst richtig beginnt, unser gemeinsames Leben.
    Immer mehr Tränen stiegen hoch; das Bild vor ihren Augen verschwamm, sie sah nichts mehr vom See und den Feuerbergen.
    Ach, Cornelius, ich würde sie dir so gerne zeigen: meine Heimat. Meine neue Heimat.

17. KAPITEL
    EIN JAHR SPÄTER
    P astor Zacharias erwachte von einem laufen Klopfen. Er schreckte aus einem der dunklen Träume hoch, in denen er sich stets getrieben, hungrig und schmutzig fühlte, doch er war nicht etwa dankbar, von diesem Alpdruck befreit zu sein, sondern musste feststellen, dass er im wirklichen Leben noch getriebener, noch hungriger und noch schmutziger war. Er presste die Augen fest zusammen, hielt sich die Hände vor die Ohren und hoffte, das unangenehme Geräusch würde vergehen, wenn er es nur lange genug ignorierte. Aber das Klopfen ließ nicht nach, wurde zunehmend energischer, und schließlich rief eine Stimme fordernd nach einem Cornelius Suckow.
    Pastor Zacharias richtete sich auf. Der Kopfschmerz kam so abrupt, als würde sich ein spitzer Gegenstand in seine Schläfen bohren. Er stöhnte auf, umso mehr, als sein Blick auf die halbleere Branntweinflasche fiel, die auf dem Nachttisch stand und daran gemahnte, dass er an seinem Elend nicht unschuldig war. Er hatte Cornelius oft versprochen, nichts mehr zu trinken; und dieser wiederum hatte oft genug erklärt, dass die Voraussetzung für eine Heimreise seine dauerhafte Nüchternheit sei, doch er konnte der Versuchung, sich zu betäuben, nie widerstehen, und auch jetzt hätte er das Schädelbrummen am liebsten mit einem kräftigen Zug vertrieben.
    Das Klopfen hielt ihn davon ab – mittlerweile so laut, als wolle jemand die Tür einschlagen.
    »Ja doch …«, murrte er. Sein Schädel schien zu zerplatzen, als er sich aufrichtete und zur Tür wankte. Noch mehr als die Schmerzen setzte ihm Angst zu, als er sie öffnete.
    Valdivia war ihm fremd geblieben, ein viel zu lauter, viel zu hektischer Ort. In den letzten Monaten war die Bevölkerung sprunghaft angestiegen. Noch mehr Tischler und Schmiede, Zimmerleute und Schuhmacher, Schneider und Bäcker hatten sich hier niedergelassen. Sie hielten Pastor Zacharias mit ihrem unbeirrbaren Überlebenskampf und ihrer Tüchtigkeit vor Augen, dass es durchaus möglich war, in diesem fremden Land zu bestehen, und dass es andere Arten gab, dem Leben zu trotzen, als sich in einer schmierigen Unterkunft zu verschanzen und darauf zu hoffen, dass sämtliche Prüfungen irgendwie vorübergingen.
    »Ja doch …«, murrte er wieder.
    Als er öffnete, ging ihm kurz durch den Sinn, welchen verlotterten Anblick er wohl bot. Seine Haare klebten an seinem Kopf; seinem Mund entströmte säuerlicher Geruch; sein Hemd war dreckig wie eh und je.
    Doch der Mann vor der Tür musterte ihn nicht eingehender, sondern schien nur froh, dass er nicht länger klopfen musste.
    »Na endlich«, kam es widerwillig.
    Zacharias hatte den Mann noch nie gesehen.
    »Sind Sie Cornelius Suckow?«
    Wenigstens sprach er Deutsch. Auch das war in dem verfluchten Land keine Selbstverständlichkeit, selbst wenn in Valdivia – das musste sogar Zacharias zugeben – fast nur Deutsche lebten. Der Mann wartete seine Antwort nicht ab. »Ich habe einen Brief für Sie. Kam über den See. Mit einer Lansche.«
    Pastor Zacharias machte ein verständnisloses Gesicht. Was, zum Teufel, war eine Lansche? Welchen See meinte er? Und wer schrieb Cornelius einen Brief?
    Er öffnete den Mund, doch der Mann wollte keine Zeit mehr verschwenden, drückte ihm den Brief in die Hand und ging einfach.
    »¡Adiós!«, rief er Zacharias noch über die Schultern zu.
    Dieser schnaufte. Daran würde er sich am wenigsten gewöhnen – an diesen spanischen Gruß, den mittlerweile auch sämtliche Auswanderer gebrauchten, als reiche es nicht, ihr Heimatland aufgegeben zu haben. Verdattert blickte er dem Fremden hinterher, schloss dann jedoch schnell wieder die Tür, erleichtert, das laute Valdivia, seine Bewohner und das unheimliche Land wieder aussperren zu können.
    Erst als er ächzend aufs Bett sank und sich seine Augen begehrlich auf die Branntweinflasche richteten, fiel ihm ein,

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