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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Wiederaufbau der zerstörten Scheunen und Getreidespeicher halfen sie tatkräftig mit. Der kleine Ricardo machte ihr viel mehr Sorgen. Er war schweigsamer als sonst, wirkte verschreckt und klammerte sich ständig an sie. Manchmal klagte er über Schmerzen, und sie wusste nicht, ob sie vom feuchten Klima rührten, den knappen Mahlzeiten oder der Furcht, dass das durchstandene Grauen womöglich erneut über ihn hereinbrechen könnte.
    »Kehr um, wenn es zu schwer wird«, sagte Elisa leise, obwohl sie sich sicher war, dass Lukas niemals umkehren würde, ganz gleich, wie elend er sich fühlte.
    Die Männer brachen am nächsten Morgen zeitig auf und zogen eine zweirädrige Ochsenkarre hinter sich her – schon auf den ersten Schritten ein mühsames Unterfangen, da Regenfälle aus den Wegen Schlammwüsten gemacht hatten.
    Danach wurde es noch stiller in der Siedlung. Christl lästerte anfangs über Viktor, der nicht mitgegangen war und sich nicht zum ersten Mal vor Männerarbeit drückte, aber irgendwann verstummte auch sie.
    Sie rationierten das wenige Getreide, das sie hatten, strikt. Annelie mischte Rinde unter das Mehl, und das Brot, das sie damit buk, war außen hart, innen speckig und machte nicht satt.
    Elisa begnügte sich mit wenig und gab so viel wie möglich ihren Söhnen – vor allem Ricardo, der nachts oft auffuhr und über wüste Träume klagte. Nicht nur Elisa sparte sich jeden Bissen ab, auch Christine steckte ihren Enkelsöhnen – im Übrigen viel lieber als Poldis Töchtern – regelmäßig etwas zu.
    Jule beobachtete das missbilligend, und obwohl ihr Annelie ein Zeichen gab, zu schweigen, konnte sie sich eines Tages ihre harten Worte nicht verbeißen: »In Zeiten der Not ist es besser, die Mütter zu stärken, nicht die Kinder.«
    Christine fuhr auf. »Was willst du damit sagen?«, herrschte sie sie wütend an.
    »Sieh dir doch Elisa an, bleich und ausgezehrt wie sie ist! Wenn sie sämtliches Essen an ihre Kinder weitergibt – wer soll im Frühjahr dann noch für diese Kinder sorgen?«
    Christine setzte zu einer wütenden Entgegnung an, aber Elisa kam ihr zuvor.
    »Mach dir keine Sorgen«, erklärte sie schnell, »ich bin zäh.«
    »Siehst du«, grummelte Christine. »Es ist ihre Entscheidung!«
    »Mag sein«, murrte Jule. »Aber die Wahrheit ist doch: Wenn die Erwachsenen sterben, dann sterben die Kinder auch. Wenn die Kinder sterben, können die Erwachsenen neue kriegen.«
    Christine verstummte vor Empörung, doch Annelie, die ansonsten am besten mit Jule zurechtkam, fuhr sie wütend an: »Was du sagst, ist grausam!«
    »Das ist nicht grausam«, verteidigte sich Jule, »das ist die Natur. Gegen diese kämpfen wir hier – und dass es ein brutaler Kampf ist, kein lustiges Spiel, das haben wir doch gewusst, als wir hierherkamen, oder?«
    Elisa zog Ricardo an sich. »Ob du recht hast oder nicht«, sagte sie leise, »ich will dergleichen nie wieder hören.«
    Später, als Christine fortgegangen war – nicht ohne Jule mit einem letzten verächtlichen Blick zu bedenken –, trat diese zu Elisa, und noch ehe sie abwehrend die Hände heben konnte, hatte Jule schon ein Stück Brot aus ihrer Schürze hervorgezogen und reichte es ihr. »Ich will, dass du mindestens die Hälfte davon isst, und zwar vor meinen Augen, sonst gebe ich’s dir nicht.«
    Verwirrt blickte Elisa sie an – nicht sicher, was die ansonsten grobe Frau dazu antrieb: echte Freundlichkeit oder nur der Wunsch, Christine auszustechen, indem sie ihr etwas Gutes tat.
    Sie fühlte sich zu schwach, es zu ergründen, nahm das Brot und schlang es, wie gewünscht, vor Jules Augen herunter. Die eigene Gier verstörte sie – die Gier danach, sich endlich einmal satt zu fühlen, wenn auch nur für kurze Zeit. Danach traten ihr Tränen in die Augen, weil sie bei keinem einzigen der hungrigen Bissen an ihre Söhne gedacht hatte. So schwer wie ein Stein lag ihr das Brot im Magen, obwohl sie in der folgenden Nacht zum ersten Mal halbwegs tief schlafen konnte.

    Nach einer Woche kehrten die Männer zurück, und Elisa las in ihren Blicken, dass sie keine guten Nachrichten brachten – vor allem aber kaum Nahrung.
    »Seit Monaten ist kein Schiff in Puerto Montt angekommen, um eine Ladung Lebensmittel zu löschen, was bedeutet, dass die Vorräte dort ebenso knapp werden«, berichtete Cornelius. »Wir haben nahezu gebettelt, aber die Menschen meinten trotzig, dass wir ihnen in Zeiten des Überflusses auch nichts abgegeben hätten. Es ist schon

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