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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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hörte Poldi auf, mit den Füßen zu scharren, und warf vorsichtig ein: »Vielleicht hat er es gerade jetzt tun müssen …«
    »Wie kann er es wagen? Wie kann er uns einfach im Stich lassen?«, tobte Christine und blickte ihren Jüngsten an, als wäre dieser am Entschluss seines Bruders schuld.
    Für einen kurzen Moment machte Poldi den Eindruck, als würde er zurückzucken, doch dann hielt er ihrem Blick trotzig stand und erklärte entschlossen: »Er hat jahrelang getan, was du wolltest. Lass ihn nun tun, was er will.«
    Christine starrte ihn fassungslos an.
    »Er wird jede Münze, die er verdient, uns zugutekommen lassen«, fuhr Poldi fort. »Er wird sich immer noch abrackern für uns. Aber eben auf seine Weise.«
    Er wandte sich ab und ging davon. Stille breitete sich aus. Elisa war erleichtert, als sie ihre Söhne mit Annelie herbeieilen sah. Annelie wirkte so schmal, blass und verloren wie einst nach den Fehlgeburten. Elisa stürzte auf ihre Söhne und wollte sie alle gleichzeitig umarmen. Lu und Leo blieben steif und entwanden sich rasch wieder ihren Armen, Ricardo dagegen vergrub sich wimmernd in sie. Nach einer Weile musste sie sich regelrecht zwingen, ihn loszulassen.
    »Lukas? Wo ist Lukas?«
    Annelie brachte sie zu ihm. Seine Kopfwunde war unter einem dicken Verband verborgen. Binnen weniger Tage war er bestürzend abgemagert; auch sein strahlendes Lächeln, als er sie sah, konnte nicht die Spuren verbergen, die Schmerzen und Sorgen in seinem grauen Gesicht eingebrannt hatten.
    »Gott sei Dank«, sagte er immer wieder. »Gott sei Dank bist du zurückgekehrt.«
    Sie konnte nichts sagen, nur stumm seine Hand halten und sie fest drücken.
    »Jule hat mir verboten, aufzustehen«, erklärte er. »Ich fühle mich ganz wie mein Vater.«
    »Dein Vater ist einst so schwer verletzt worden, dass er nie wieder laufen kann. Aber du … du wirst wieder gesund werden!«
    Tränen traten in ihre Augen – sie war sich nicht sicher, ob vor Erleichterung, weil sie wohlbehalten zurückgekehrt war, vor Trauer, weil nicht alle ihrer Lieben überlebt hatten, oder vor Scham, weil sie Cornelius geküsst hatte.

    Man hatte die Toten bereits begraben. Noch am Tag des Überfalls, so erfuhr Elisa, war ein Streit darüber ausgebrochen, wo das am besten zu geschehen habe – ob in einem nahe gelegenen Waldstück oder auf einem der Friedhöfe der größeren Orte. Barbara wünschte sich für Taddäus Letzteres – zumindest so lange, bis sie erfuhr, dass die katholischen Chilenen den protestantischen Einwanderern nur Beerdigungen an den Außenmauern ihrer Friedhöfe gestatteten, nicht innerhalb des Friedhofs.
    Dann habe man sich schnell geeinigt, hatte Elisa von Jule erfahren. Wenn schon ungeweihte Erde genügen musste, so lieber solche fernab einer Kirche, die die Toten als Sünder betrachteten. Ein kleines Stückchen Boden zwischen Wald und Schule war darum zum Friedhof bestimmt worden – und dort standen inzwischen zwei Holzkreuze: eines für Taddäus Glöckner, eines für Richard von Graberg.
    Nun versammelten sie sich erneut davor, damit alle gemeinsam Abschied nehmen konnten. Selbst Lukas ließ es sich nicht nehmen, dabei zu sein, obwohl er sich kaum auf den Beinen halten konnte und durch den Kopfverband immer noch frisches Blut sickerte.
    Vor den Gräbern fühlte sich Elisa unendlich verlassen. Richard von Graberg war nie eine stabile Säule ihrer Gemeinschaft gewesen und Taddäus Glöckner ein unauffälliger Zeitgenosse, aus dem niemand recht schlau wurde, doch als sie die Runde der Siedler musterte, wirkten sie verwaist, verwirrt, hilflos. Annelie glich einem Vögelchen, das aus dem Nest gefallen war, Barbara war völlig erstarrt und konnte niemandem in die Augen blicken. Christine weinte pausenlos – Elisa war nicht sicher, ob um die Toten, die ihr beide nicht sonderlich nahegestanden waren, um Fritz, der nicht wiedergekehrt war, oder um sie alle, die sie nicht wussten, wie es weitergehen sollte.
    Cornelius sprach ein Gebet für die Toten. Elisa schien es so, als würde seine Stimme bei jedem Wort leiser werden. Erst nach einer Weile begriff sie, dass der Wind sie zunehmend übertönte. Die Hitze der vergangenen Tage war das letzte Aufbäumen des Sommers gewesen. Binnen weniger Stunden sank die Temperatur.
    Elisa fröstelte, als der Wind ihren Rock blähte. Sie hatte das Gefühl, die Kälte würde sich in sämtliche ihrer Glieder verbeißen, um fortan nicht mehr zu weichen. Kurz drehte sie sich von den Gräbern weg,

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