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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Gesicht fühlte sich verkrustet an. Als sie auf Annelie zutrat, zitterten ihre Knie. Ihre Brust schmerzte nach wie vor, als würde sie bei jedem mühseligen Atemzug zerreißen.
    »Schwör mir!«, setzte sie heiser an. »Schwör mir bei Gott, Anna Aurelia von Graberg, dass du nie auch nur einer Seele verraten wirst, dass Cornelius der Vater meines Kindes ist!«
    Annelie schien erst jetzt ihren leeren Blick wahrzunehmen und wich erbleichend vor ihr zurück. »Gütiger Himmel, was ist denn …«
    »Schwöre es! Das bist du mir schuldig!«, schrie Elisa. »Schwöre es!«
    Annelie schien zu ahnen, dass es sinnlos war, ihr zu widersprechen. »Ich schwöre es«, sagte sie schnell, »ich schwöre alles, was du willst, aber was hat Cornelius …«
    »Sei still!«, schrie Elisa und stampfte so fest auf, dass der getrocknete Schlamm von ihren Kleidern herabrieselte. »Sei still! Sprich seinen Namen in meiner Gegenwart nie wieder aus! Nie wieder, hörst du, nie wieder!«
    Annelie nickte betroffen. Elisa indes stürmte an ihr vorbei und riss sich noch im Laufen die dreckige Kleidung vom Leib.

34. KAPITEL
    E lisas vierter Sohn wurde mitten im Sommer, Ende Februar des Jahres 1863, geboren. Christine, Jule und Annelie standen ihr bei, doch sie bedurfte ihrer Hilfe kaum. Von allen Geburten erschien ihr diese am leichtesten und am schnellsten. Vielleicht war das aber nur so, weil ihr die Schmerzen des Leibes so lächerlich gering erschienen im Vergleich zu dem Weh, das ihr die letzten Monate über die Seele förmlich zerfraß. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass ihr Trübsinn sich auf das Kind übertragen würde, und hatte immer wieder versucht, sich zusammenzureißen und nur nach vorne zu schauen. Solange sie sich mit Arbeit betäuben konnte, war es ihr etwas leichter gefallen. Doch in der Woche vor der Niederkunft, da ihr Leib zu behäbig und ihre Füße zu geschwollen waren, um lange zu stehen, hatte sie oft geweint.
    Tränen kamen ihr auch jetzt, als das Kind kräftig, ja nahezu empört brüllte – diesmal vor Erleichterung, dass sie, die sich innerlich wie tot gefühlt hatte, etwas so Lebendiges, Gesundes, Starkes hervorbringen konnte.
    Noch ehe sie es berühren konnte, nahm Annelie das Neugeborene in die Arme – nicht lange allerdings, denn auch Christine wollte es halten.
    »Es ist ein Junge!«, rief sie aus. »Du hast wieder einen Jungen geboren! Wie … wie soll er heißen?«
    Elisa senkte beschämt ihren Blick und hoffte, man würde ihr die glühend roten Wangen nicht ansehen. Wie eine Verräterin kam sie sich vor, da Christine sich über ein Enkelkind freute, das gar nicht ihres war. Sie ahnte, dass Christine sich insgeheim wünschte, der Knabe möge Friedrich heißen, nach seinem Onkel Fritz, doch es war ihr unvorstellbar, den Sohn nach einem der Steiner-Brüder zu benennen.
    »Magdalena …«, sie deutete auf Lukas’ fromme Schwester, die zwar nicht bei der Geburt geholfen hatte, aber die ganze Zeit hiergeblieben war, um für sie und das Kind zu beten. »Magdalena soll seine Patin werden«, erklärte Elisa. »Sie soll den Namen bestimmen.«
    Magdalena zuckte mit den Schultern; Elisa war sich nicht sicher, ob sie sich geehrt fühlte oder ihr die Patenschaft eine Last war. Sie dachte an das, was sie ihr anvertraut hatte, als die Mapuche sie verschleppt hatten: dass sie Kinder mögen würde, solange es nur nicht die eigenen wären.
    Magdalena stand auf und musterte das Neugeborene, berührte es jedoch nicht.
    »Wir haben schlimme Zeiten hinter uns«, begann sie ruhig zu sprechen, »den Überfall, den langen Winter, den Hunger … und schließlicht Ricardos und Lukas’ Tod. Doch Gott hat sich nicht von uns abgewandt. Dieses Kind ist das Zeichen, dass er bei uns ist. Der dreiundzwanzigste Vers im ersten Kapitel von Matthäus lautet: ›Sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt Gott ist bei uns.‹« Sie sprach mit der Stimme einer Fremden, der nichts auf der Welt etwas anhaben konnte, so dass Elisa fast neidisch war auf diese vermeintliche Härte, die der von Jule glich.
    Magdalena hatte keine unerträglich schwere Schuld zu tragen; sie wusste nicht, wie sich ein gebrochenes Herz anfühlte. Allerdings konnte sie wohl auch nicht jene Wärme nachfühlen, die Elisa jäh durchströmte, als Christine ihr das Kind in die Arme legte. Es schrie immer noch, aber nicht mehr ganz so zornig und ganz so durchdringend.
    Tränen rollten ihr über die Wangen, als sie über das Köpfchen strich.
    »Immanuel«, sagte

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