Im Land der Feuerblume: Roman
erwidern. Greta sah besser aus als erwartet. Sie war zwar mager und bleich wie immer, aber ihre Haare hingen ihr nicht wirr ins Gesicht, sondern waren fest geflochten. Jetzt sah Elisa auch die Rauchsäule, die vom Haus hochstieg, die Vorhänge hinter den Fenstern und die neuen Dachschindeln, welche die alten, brüchig gewordenen ersetzt hatten. Das Mielhahn-Heim wirkte nicht heruntergekommen, wie Christl immer lästerte, sondern nahezu heimelig.
Langsam trat Elisa näher. Mehrmals setzte sie zum Reden an, doch erst nach einer Weile konnte sie ihre Worte aussprechen. »Es tut mir so leid«, murmelte sie. »Ich meine Viktors Unfall, und dass ich erst jetzt …«
Greta winkte ab, als wollte sie den Gedanken an ihren Bruder wie eine lästige Fliege verscheuchen.
Ihr Lächeln verstärkte sich, keinerlei Schmerz grub sich in ihre Züge ein.
»Es braucht dir nicht leidtun, ich habe doch jetzt Cornelius.«
Elisa wusste nichts zu sagen. Eben noch hatte sie sich für Greta gefreut, dass sie nicht ganz allein mit Viktors Tod fertig werden musste, nun stieg Befremden hoch – über die sichtliche Leichtigkeit, mit der Greta den einen Mann in ihrem Leben durch einen anderen ersetzte.
Sie beschloss, nichts dazu zu sagen. »Zu ihm will ich«, erklärte sie knapp. »Ich muss mit Cornelius sprechen.«
Greta stand regungslos da. »Er ist auf dem Feld. Er hat keine Zeit für dich. Aber es ist gut, dass du gekommen bist. Ich muss dir etwas erzählen.«
Bis jetzt hatte Greta an ihr vorbeigestarrt, doch nun trafen sich erstmals ihre Blicke. In Gretas Augen leuchtete es auf – der Glanz schien Elisa allerdings unnatürlich. Wieder fröstelte sie, als sie eine Ahnung überkam, dass sie das, was Greta ihr zu sagen hatte, nicht hören wollte.
»Aber ich muss mit ihm reden. Ich muss wirklich zu Cornelius, um …«
Sie brach ab, denn sie war einfach an Greta vorbeigegangen. Diese bemühte sich nicht, sie aufzuhalten. Weiterhin stand sie regungslos da, wartete sogar, bis Elisa einige Schritte zurückgelegt hatte, dann rief sie ihr nach: »Ich bekomme ein Kind!«
Elisa fuhr herum. Greta lächelte sie immer noch an, freudestrahlend und triumphierend nun.
»Was sagst du da?«, keuchte Elisa.
Eine leichte Röte überzog Gretas Wangen. »Ich weiß, ich weiß. Es war nicht anständig, nicht bis zur Hochzeit zu warten.«
Elisa schluckte trocken. »Welche Hochzeit?«
Sie brachte die Worte kaum hervor. Dennoch musste sie etwas sagen. Solange sie Fragen stellte, solange sie keine Antworten bekam, war es noch keine Gewissheit – jene Ahnung, die jäh ihre Welt zu verdunkeln schien, obwohl die Frühlingssonne genauso kräftig schien wie eben noch.
Greta hob ihre Hand, um die Augen vor den grellen Strahlen abzuschirmen. »Die Hochzeit von Cornelius und mir natürlich!«, rief sie – so kraftvoll, wie Elisa sie noch nie reden gehört hatte. »Wir werden heiraten, wir werden ein Kind haben und wir werden eine Familie sein, eine sehr glückliche Familie! Ganz anders, als meine Eltern, Viktor und ich es waren. Mein Vater war böse, meine Mutter war feige, und Viktor war krank im Kopf, aber Cornelius und ich …«
Sie redete in einem fort. Elisa sah noch, wie sich ihre Lippen bewegten, aber die Worte drangen nicht zu ihr, schienen vielmehr irgendwo im grünen, feuchten Boden zu versickern. Elisa glaubte, ihr Kopf würde platzen.
»Willst du mir nicht alles Gute wünschen?«, fragte Greta abschließend.
Das verstand Elisa nun wieder, aber sie antwortete nicht. Sie merkte erst, dass sie lief, als ihre Brust bereits schmerzte, sie kaum mehr atmen konnte und ihr der Schweiß aus allen Poren trat.
Die Übelkeit, die sie ansonsten nur am Morgen quälte, überkam sie mit aller Macht. Sie sank in den Schlamm des Seeufers und erbrach sich. Auch als ihr Magen längst geleert war, blieb sie kraftlos knien. Sie erhob sich erst wieder, als der Schlamm, mit dem sich ihr Kleid vollgesogen hatte, erstarrt war. Kleine Brocken fielen von ihr ab und hinterließen eine graue Spur, als sie langsam auf das eigene Haus zuschritt.
Wie Asche, ging es ihr durch den Kopf, als sie darauf starrte, wie Asche …
Als wäre dort, wo sie hintrat und woher sie kam, die Erde verbrannt …
Annelie lachte bei ihrem Anblick; der Ausdruck ihres Gesichts entging ihr zunächst. »Was ist denn mit dir passiert? Du bist ja über und über schmutzig!«
Elisa blickte auf sich hinab. Nicht nur auf ihren Kleidern, auch auf ihren Handflächen klebte der Schlamm. Selbst ihr
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