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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Christine nachdenklich. »Nun … vielleicht ist das gar kein schlechtes Omen. Hieß so nicht jener Präsident von Chile, der uns Deutschen immer geholfen hat und Puerto Montt seinen Namen gab, Manuel Montt?«
    Jule nickte. »Und Präsident Manuel Montt ist immerhin ein Nachfolger von jenem Peter Lisperger aus Worms, der im 16. Jahrhundert nach Chile kam und dort der reichste Mann wurde.«
    Magdalena hatte sich wieder gesetzt und ihr Gebet aufgenommen. Jule drückte kundig Elisas Leib, auf dass er die Nachgeburt ausspuckte.
    Elisa achtete nicht darauf. Das Kind hatte aufgehört zu schreien und die eben noch zusammengekniffenen Augen geöffnet. Sie versank in diesen Anblick. Erstmals seit langem wagte sie an Cornelius zu denken – Cornelius, den sie in den letzten Monaten strikt missachtet hatte, den sie mit kaltem Lächeln und gleichgültiger Stimme empfangen hatte, als er ihr erklären wollte, warum er Greta heiraten müsste. Cornelius, dem sie vermeintlich ohne jedes Gefühl erwidert hatte, sie sei unendlich erleichtert, dass er Greta als Frau nähme, so hätte er wenigstens eine, sie würde ihn nie und nimmer heiraten, nun, da sie Lukas’ Kind in sich trüge, das Vermächtnis ihrer Liebe.
    Ja, so hatte sie ihn fortgeschickt, hatte alles getan, um ihn aus dem Herzen zu verbannen; nun aber wurde es überwältigt von Wärme und Zuneigung – und Traurigkeit.
    Cornelius, dachte sie, voller Wehmut und Sehnsucht, kurz gefangen in die Erinnerungen an ihn und ihre Umarmungen.
    Dann vertrieb sie den Gedanken und versuchte zu vergessen, dass es sein Sohn war, den sie in den Armen hielt.
    »Manuel«, murmelte sie, »Manuel …«
    Eine Woche später, an einem unerträglich heißen Märztag, kam Greta mit einer Tochter nieder. Cornelius hatte Jule holen wollen oder zumindest eine der anderen Frauen, doch Greta beharrte darauf, das Kind allein zu gebären. Nur er solle bei ihr bleiben, das würde genügen. Allerdings ließ sie sich nicht von ihm berühren, nicht einmal Wasser bringen, um sich abzukühlen. Hilflos musste er an ihrem Bett stehen und zusehen, wie sie sich wand und quälte. Sie verbiss sich jedes Schreien, stöhnte nur, und auch nach vielen Stunden, da sie beide längst schweißgebadet waren, kam kein Wehklagen über ihre Lippen. Bis zuletzt zweifelte er daran, dass ein dürrer, schmaler Körper wie der ihre ein Kind herauspressen konnte. Doch irgendwann erschien zwischen ihren Beinen ein Köpfchen, und wenn er schon nicht ihren Leib berühren durfte, erwartete sie nun doch, dass er es herauszöge. Er tat es mit zitternden Händen; die klebrige Haut des Kindes zu befühlen, erregte zwar keinen Ekel, war ihm aber irgendwie unheimlich. Doch die Unsicherheit schwand, als dieses winzige Wesen plötzlich zwischen ihren Beinen lag – noch durch die bläuliche Nabelschnur mit dem Leib der Mutter verbunden. Es schrie genauso wenig wie die Mutter, stieß nur ein Fiepsen aus, das eher wie das einer Maus als das eines Menschenkindes klang.
    Cornelius wischte sich den Schweiß ab.
    Gretas Kopf war nach hinten gesackt; ihre Haare schienen so weiß, dass sie sich kaum vom Kissen abhoben. Damit sie das Kind sehen konnte, legte er es ihr auf den nackten Bauch, aber ihre Augen starrten an die Decke.
    »Soll ich nicht doch Jule holen, wenigstens jetzt?«
    »Ich möchte sie nach deiner Mutter nennen«, murmelte sie.
    Erst viel später fragte er sich, wie sie wissen konnte, dass sie einer Tochter das Leben geschenkt hatte, da sie das Kind noch nicht einmal angesehen hatte. In diesem Augenblick fühlte er nur Verwirrung über ihr Ansinnen – und unerwartet Ärger. Wie konnte sie das von ihm verlangen? War das Opfer, das er für sie brachte, nicht groß genug? Er log für sie, schottete sich von den anderen ab, nahm hin, dass Elisa durch ihn hindurchblickte, als gäbe es ihn nicht, ja – und das war noch schlimmer –, als hätte es ihn nie gegeben.
    »Wir sollten sie …«, er ließ sich vorsichtig an der Bettkante nieder, betrachtete das Kind, das winzig klein war, aber einen gesunden Körper hatte. Ein dünner Flaum wuchs ihm auf dem Kopf, der von einer gelblichen Masse, die wie gestockte Eier aussah, verklebt wurde. »Wir sollten sie vielleicht lieber nach deiner Mutter nennen.«
    Vorsichtig hob er die Hand und berührte das Köpfchen. Es fühlte sich weich, warm und feucht an. Der Ärger auf Greta schwand, auch all seine Verbitterung, dass er in diese Lage geraten war, und zurück blieb tiefe Ehrfurcht, vor dem

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