Im Land der Feuerblume: Roman
heißer wurde. Die einzelnen Rauchfäden verwoben sich zu einer dicken, beißenden Wolke. Elisa konnte kaum mehr etwas sehen, spürte nur die Ellbogen derer, die an ihr vorbeirannten, und stolperte fast über ein plärrendes Kind.
»Mutter! Mutter!«, schrie es.
»Komm mit!«, sagte Elisa und wollte es an der Hand ziehen. »Ich bring dich zu den Booten.« Doch da plärrte das Kind noch lauter und schlug wild um sich.
»Ich kümmere mich darum.« Sie hatte nicht bemerkt, dass ein Matrose sich ihr genähert hatte, das Kind über seine Schultern warf und mit ihm im dichten Rauch verschwand.
»Weiter!«, drängte Annelie.
Nach einigen Schritten passierten sie die Kabine von Cornelius.
»Cornelius! Pastor Zacharias!«, rief Elisa.
Die Tür stand offen, doch als sie hineinblicken wollte, um sich zu vergewissern, dass die beiden schon geflohen war, zog Annelie sie mit sich.
»Wir haben keine Zeit!« Ihr Griff war fest, und Elisa überließ sich ihrer Führung. Wenig später stolperten sie ins Freie. Die Nachtluft, die sie empfing, war kalt, aber frisch, das Himmelszelt schwarz. Hatten sich die Sterne hinter dunklen Wolken verborgen oder stand der Rauch bereits so dicht über dem Schiff, dass er ihr Leuchten verschluckte? Glatt und ruhig lag die See vor ihnen, wie ein dunkler Spiegel des Himmels, in dem sich nichts von ihrer Not einschrieb, von dem Geschrei, dem Gedränge. Elisa erhielt einen Schlag in die Magengrube, stürzte fast und klammerte sich noch fester an Annelie.
»Cornelius! Pastor Zacharias!«
Weit und breit war keiner der beiden zu sehen, doch nun beobachtete Elisa, wie sich Poldis schlaksige Gestalt durch das Gewühle kämpfte. »Elisa!«, schrie er.
»Steigt ins Boot!«, befahl Richard und stieß sie unsanft in die andere Richtung, noch ehe der Junge sie erreichen konnte.
Hektisches Treiben herrschte an der Reling. In Windeseile hatte man die Rettungsboote von ihren Verankerungen losgebunden und sie umgedreht. Einige Matrosen waren bereits damit beschäftigt, das erste aufs Meer zu lassen. Andere trieben mit knappen Befehlen Passagiere auf die Boote, wieder andere mussten sie zurückdrängen, sobald sie voll waren.
»Elisa!« Poldi klang panisch.
Elisa riss sich von ihrem Vater los; sie hörte nicht, was er ihr verzweifelt nachbrüllte, sondern stürzte auf Poldi zu, der ihr inmitten des Tumults mager und klein erschien.
»Hast du Cornelius gesehen?«
Ihre Frage erreichte ihn nicht. »Meine Mutter … meine Brüder …«, stammelte er zitternd.
Wirr liefen die Menschen durcheinander. Warme Leiber pressten sich an Elisa, nahmen ihr die Luft zum Atmen, rissen sie mit. Sie strampelte verzweifelt, um sich aus der Enge zu befreien, und begann nun selbst, die Ellbogen schonungslos einzusetzen. Wenigstens gelang es Poldi, sich in ihrer Nähe zu halten.
»Magdalena, Christl, das Katherl … sie sind doch noch unten … im Zwischendeck.«
Elisa hielt nach allen Richtungen Ausschau, doch es war zu dunkel, um vertraute Gesichter zu erkennen. Sie würde weder Cornelius und seinen Onkel finden noch die Steiners.
»Komm!«, meinte sie knapp, packte Poldi an der Hand und zog ihn mit sich.
Zunächst folgte er ihr, doch als sie auf eines der Rettungsboote zusteuerte, in dem bereits Annelie und Richard Platz genommen hatten, wehrte er sich heftig.
»Ich kann doch nicht … ich muss doch zu meiner Familie …«
Sie verstärkte den Griff und zog ihn unbarmherzig weiter. Schließlich kam ihr einer der Matrosen zu Hilfe: Er packte zunächst Poldi, um ihn unsanft ins Boot zu stoßen, dann sie. Sämtliche Glieder schienen zu bersten, als sie auf dem harten Holz aufschlug. Sie hatte sich kaum aufgerappelt, als das Boot bereits hochgezogen und über der Reling herabgelassen wurde.
»Elisa … Gott sei Dank …« War das die Stimme ihres Vaters oder die von Annelie?
Beide saßen nicht weit von ihr entfernt. Mittlerweile war auch Poldi wieder auf die Beine gekommen.
»Ich muss zu meiner Familie!«
Das Boot schaukelte heftig, als er zunächst wild in die eine Richtung sprang, dann in die andere.
Elisa packte ihn wieder und zog ihn zu sich: »Du bleibst jetzt sitzen!«, schrie sie ihn an.
Seine Augen waren vor Schreck geweitet; obwohl er sich nicht mehr rührte, schaukelte das Boot noch heftiger. Gekreische setzte ein, und Elisa hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten.
Wo waren nur Cornelius und sein Onkel?
Suchend blickte sie sich um.
»Poldi, sieh doch mal!«
Sie deutete auf ein anderes
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