Im Land der Freien
Elvis mit dem Lebensstil, der – noch zwanzig Jahre nach seinem Tod – zu fassungslosem Staunen verführt. Rüber ins Auto Museum . Alles, was zwei, drei oder vier Räder besaß, musste her, auch ein Go-Kart, ein Golf-Kart, eine Schneefräse (in Memphis!), mehrere dreirädrige Supercycles, Hondas und Harley Davidsons, ein Mercedes 280 SL , ein Rolls-Royce, ein Ferrari Dino 308 GT 4 und – ich erwähne nur Höhepunkte – ein violetter Cadillac Convertible, der ursprünglich weiß war und der erst dann violett wurde, nachdem Elvis aus dem Geschäft gerannt war, um ein Pfund Trauben zu kaufen, zurückrannte, die Trauben auf der weißen Kühlerhaube zerquetschte und den Verkäufer befriedigt wissen ließ: » This is my color .«
Irgendwann waren alle Vehikel zu langsam und der King besorgte sich zwei Flugzeuge. Das war drei Jahre vor seinem Tod und heute weiß man, dass es jene Jahre waren, in denen er anfing, die Übersicht über sein Leben zu verlieren. Hundertfünfzig Meter neben dem Automobil-Museum stehen The Lisa Marie Jet , benannt nach seinem einzigen Kind, und Hound Dog II , das leichtere Reserveflugzeug. Elvis blieb sich treu, ein Gang durch sein Flying Graceland beweist einmal mehr sein riesiges, verschwenderisches Kinderherz.
Das vergoldete Waschbecken, das skyphone (wie die meisten Amerikaner litt er an einer genetisch bedingten Telefoniersucht), die Fernseher, der Tisch mit genug Platz für alle 14 Freunde und das Himmelbett mit Sicherheitsgurt. Beim Verlassen der Maschine darf jeder Besucher noch einmal herzlich lachen, denn eine Tonbandstimme erzählt uns, dass das Schubfach neben dem Bett als Ablage für Bücher diente, denn Elvis sei ein fleißiger Leser gewesen. Höchst merkwürdig, denn auf dem gesamten Gelände habe ich nicht zwei Buchdeckel entdeckt. Abgesehen von den Eisenbahnladungen, die über ihn geschrieben wurden.
Nein, nicht als still versunkener Bücherfreund wird uns Elvis A. Presley in Erinnerung bleiben. Auch nicht als bedachtsamer Umweltfreund. Dafür als Riesenbaby, denn über Video hört man seinen ehemaligen Piloten die aberwitzige Geschichte von den peanut butter sandwiches erzählen: Eines Nachts – es war eine jener Nächte, in denen die Erdnussbuttersandwich-Manie grassierte – rief ihn sein Arbeitgeber an und bat, die Motoren anzuwerfen. Es ginge nach Denver, jetzt gleich. » Why Denver? « Und Elvis kichernd: » To get some peanut butter sandwiches .« Denn nur in Denver wären sie üppig und kalorienstark genug. Und so rasten sie von Tennessee nach Colorado, verheizten 2100 Gallonen (7948 Liter) Sprit und brachten eine halbe Tüte des geliebten Nahrungsmittels zurück nach Memphis. Die andere Hälfte verschwand bereits als Reiseproviant.
Nicht so viele Nächte später war auch diese Leidenschaft überstanden. Am 16. Juli 1977 treibt der King am Nachmittag noch einmal Sport, legt sich ins Bett und stirbt. An einem Herzinfarkt, so die offizielle Presseerklärung. Seine letzte Freundin, Ginger Alden, ruft den Arzt. Der kommt um Jahre zu spät. Zuviel Weltruhm, zu viele Fleischberge und Erdnussbutter, zu viele uppers und downers , um aufzuwachen und einzuschlafen, zu viele Reize für ein schwaches Herz, zu viele erfüllte Träume für den Sohn eines Zuchthäuslers, zuviel Leben für nur 42 Jahre. Im Meditation Garden , dem Familiengrab neben den Paradiesbäumen, neben seinem Zwillingsbruder und seinen Eltern ist er begraben.
» Are you constipated tonight? «, so könnte die inoffizielle Presseerklärung anfangen. Seit Jahren litt der Dicke an Verstopfung. Laut Dan Warlick, Chief Medical Investigator von Tennessee und bei der Autopsie anwesend, fiel der King um neun Uhr vormittags vom Thron: gescheitert bei dem – diesmal letzten – Versuch, sich zu erleichtern. So heftig, so energisch musste er pressen, dass seine Aorta quetschte und kein Blut mehr zum Herzen gelangte. Erst sechs Stunden, nachdem Elvis das Badezimmer betreten hatte, fing jemand an, nach ihm zu fragen. Man hatte sich an die legendär-zeitintensiven Aufenthalte des Königs in der Nähe einer Kloschüssel gewöhnt.
Es ist bereits dunkel geworden. Freundlich wirft mich der Mann am Gartentor hinaus. Sentimentale Idioten wie ich sind an diesem Ort der Erde keine Seltenheit. Nur mühsam kommen sie weg. Außer Sichtweite heule ich los, endlich. Meine letzten Tantiemen, die ich dem King schulde, fallen mir ein. Das war vor einem Jahr in Paris, als ich in der Metro einen Straßensänger fand, ihn als
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