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Im Land der Freien

Im Land der Freien

Titel: Im Land der Freien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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, die er sich in jedes seiner Autos einbauen ließ. Die sündteuerste von allen, rundum vergoldet, fand ich in seinem Golden Cadillac , Baujahr 1960, ausgestellt in der Hall of Fame in Nashville. Elvis, der Gutausseher, lief schon als Teenager mit aufgeklebten Wimpern herum. Mit kindlicher Freude sah er sich an.
    Der erste Stock ist gesperrt. Gemeine Menschen behaupten, die dort versteckten Schlafzimmer seien so unansehnlich wie blaue Wildlederschuhe, sodass sie nicht einmal der amerikanischen Öffentlichkeit zugemutet werden könnten. Also hinunter in den voll ausgebauten Keller. Zwei Räumlichkeiten bleiben unvergessen, zuerst das Fernsehzimmer mit drei Fernsehgeräten in einer Reihe. Die Idee kam dem TV -Freak, als er erfuhr, dass Präsident Johnson immer gleichzeitig die Nachrichten aller drei Sender – NBC , ABC und CBS – einschaltete. Politik langweilte den King. Dafür sah er drei Sportsendungen, zumeist Football-Übertragungen, nebeneinander.
    Wer sich jetzt weiterwagt, sollte eine Gedenkminute einlegen. Um noch mal Kraft zu sammeln. Denn nun heißt es, einen Gipfel Elvis’scher Verirrungen zu stürmen: das Dschungelzimmer, The Jungle Room . Möbel – made in Memphis – wie aus dem Busch, mit Tigerfellen überzogen und mit dunkelbraun lackierten Holzschnitzereien bestückt, schmücken den Raum. Nein, nicht Schnitzereien, eher naturgetreue Wurzelgeflechte, die, begnadet hässlich, als Armstützen und Rückenlehnen in den Raum ragen. Und das alles auf einem hellgrünen – der Dschungel ist grün – Teppich. Aus einer Wand des Raums plätschert ein Wasserfall.
    Hätte man diese Örtlichkeit im Nachlass von Mobutu entdeckt, es hätte nur um eine Nuance weniger überrascht. Dass Elvis Presley hier, inmitten seines geliebten Sperrmülls, ein paar Dutzend seiner besten Songs aufnahm, ist kein Widerspruch, sondern schlichter Hinweis, dass er – von einigen Ausnahmen einmal abgesehen – als genialer Musiker unfehlbar war. Und dass er nebenbei als lausiger, von den Niederungen des Massengeschmacks infizierter Innenarchitekt dilettierte.
    Wieder nach oben, hinter der Villa sieht man auf echtgrüne Wiesen und weiße Zäune, der King war ein begabter Reiter. Als diese Leidenschaft ausbrach, kaufte er schnell mal vierzehn Pferde. Er hatte die bravouröse Eigenschaft, seine Freude zu teilen. Wohnte ein zweites Genie in ihm, dann das einer tornadoähnlichen Generosität. Neben einer Koppel steht » Vernon’s Office «, hier beaufsichtigte sein Vater die Beantwortung der Fanpost. Auch hier stehen mehrere Fernseher. Das legt die Vermutung nahe, dass der Wille, einen Teil seines weltlichen Daseins in der Nähe von Football-Übertragungen zu verbringen, erblich ist.
    The rich madness of life : Im »Trophäenraum« wird auf sensationelle Weise deutlich, wie die Verrücktheit seines Lebens aussah. Die Stationen, die Filmplakate, die Filmküsse (u. a. mit der überirdischen Ann-Margret!), seine Garderobe, Ausschnitte aus seinen Shows. In der Time -Ausgabe vom 14. Mai 1956 schreibt ein Kritiker: » … and his entire body takes a frantic quiver, as if he had swallowed a jackhammer .« Das ist fulminant beobachtet: »… als hätte er einen Presslufthammer verschluckt.« Treffsicherer kann man die sinnlichen Rotationen von Elvis the pelvis nicht beschreiben. Er war, zumindest die ersten Jahre, ein Rebell. Und das rebellischste waren im puritanismusverseuchten Amerika diese vom Teufel eigenhändig auf die Welt gezauberten Hüften. Vorgeführt und begleitet von einer Stimme, die nichts ausließ, um die flammendsten und niedergezüchtetsten Körperteile – die ansonsten von allen Seiten gegeißelten private parts – seiner Zuhörerinnen in helle, hellste Aufregung zu versetzen.
    In der Trophäenhalle sieht man TV -Nachrichten mit christlichen Predigern, die geifernd gegen seine Musik als unverzüglichen Aufruf zur Sünde wüteten. Sieht moralisch krebsrot entrüstete Besitzer von Radiostationen, die seine Schallplatten öffentlich zerschmettern. Sieht die ersten Auftritte des King in der » Ed Sullivan Show «, erfährt, dass er bald nur noch bauchnabelaufwärts gezeigt werden durfte. Sein wild tobender Unterleib wurde zensiert. Auch die Geschlechtsteilhasser hatten begriffen, dass immer zwei Shows stattfanden: die Bühnenshow und diejenige, die Presley beim Publikum auslöste. Und die war so weit weg von den eisigen Szenarien eines ununterbrochen anschaffenden Kapitalismus.
    Auch wahr: Erst die Dollarkisten versorgten

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