Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
sich als besonders kräftezehrend. Der Nieselregen wurde dichter und dichter, sodass wir Bäume und Büsche nur noch als Schatten am Wegesrand wahrnahmen. Die Pferde und mein braver Nemo trotteten so müde dahin, wie wir uns fühlten.
Die Nächte waren furchtbar kalt, was sich bis in die Morgenstunden hineinzog. Georg und ich leiden unter Hustenschüben. Margarete und Juan schien das Wetter nichts auszumachen, aber als wir endlich rasteten, konnte ich auch ihnen die Erschöpfung anmerken.
Die Luft im Hochland ist dünn und jede Bewegung kostet sehr viel Kraft. Wie lange werde ich noch durchhalten?
Ich muss durchhalten. Für meine Eltern. Für das Versprechen, das ich gegeben habe.
A m nächsten Tag erreichten sie einen Fluss. Elise, die vor Erschöpfung beinahe einschlief, konnte sich gerade noch auf dem Rücken des Maultiers halten, als der Mula die Beine in den Boden stemmte und sich weigerte, noch einen Schritt zu tun.
»Komm, Junge«, sprach Elise auf ihn ein und strich ihmüber die Mähne. »Das kennst du doch. Einfach einen Huf vor den anderen setzen und wir kommen sicher ans andere Ufer.«
»Kikel-já. Vielleicht spürt er das«, sagte Juan so unvermittelt, dass Elise Nemo scharf zügelte. Der Mula wieherte auf. »Der Blutfluss.«
»Warum heißt er so?«, fragte Elise, nachdem sie das Tier wieder beruhigt hatte. »Trägt er rote Erde mit sich?«
»Nein.« Margarete zügelte ihre Stute, die nervös tänzelte und nach Nemo schnappte. »Hier fand die Entscheidungsschlacht zwischen Pedro de Alvarado und den Quiché-Maya statt. Die Eroberer erschlugen so viele Indios, dass sich das Wasser rot färbte vom Blut.«
Juan und sie wechselten einen Blick, bei dem sich Elise dumm und naiv fühlte. Georg allerdings nickte ihr zu.
»Oh«, sagte sie nur. Gab es in Guatemala nur Orte mit einer düsteren Geschichte? »Wie furchtbar. Vielleicht will Nemo deshalb nicht hier entlanggehen.«
Nur mit viel Zureden und einigen Mangostückchen konnte Elise den Mula dazu bewegen, die Furt zu durchqueren. Wahrscheinlich lag es an ihr, überlegte Elise. Ihre Anspannung übertrug sich auf das Maultier und ließ es nervös reagieren. Sie versuchte, sich abzulenken, aber immer wieder kreisten ihre Gedanken um eines: Würden sie Xela rechtzeitig erreichen, um ihre Eltern zu retten?
»Gib die Hoffnung nicht auf.« Georg hatte sein Pferd neben sie gelenkt und versuchte, Elise aufzumuntern. Doch auch auf seinem Gesicht spiegelte sich die Sorge um das Wohl von Henni und Johann wider. Als Elise die dunklen Ringe unter seinen Augen entdeckte, hatte sie plötzlich ein schlechtes Gewissen. Sie war so sehr in ihrem Elendverhaftet gewesen, dass sie sich nicht ein Mal gefragt hatte, was das Verschwinden ihrer Eltern für Georg bedeutete. Wie musste er sich fühlen, nachdem er das zweite Mal in seinem Leben Menschen, die ihm nahestanden, verloren hatte?
»Danke«, antwortete Elise mit belegter Stimme. Was konnte sie sagen? Ohne lange zu überlegen, streckte sie ihre Hand nach ihm aus. »Gemeinsam werden wir sie finden.«
»Wir werden hier rasten.« Margarete mischte sich ein und zerstörte den zarten Augenblick zwischen Georg und Elise. »Die Pferde sind zu müde, um heute noch weiterzureiten.«
Elise konnte nur staunen, wie unermüdlich und klaglos Margarete die Reise hinter sich gebracht hatte. Nur Juan hatte dafür gesorgt, dass sie genügend Ruhepausen einlegten. Manchmal schien es Elise, als ob Margarete vor etwas davonlaufen wollte, aber sie wagte es nicht, sie danach zu fragen.
A m nächsten Morgen hatte der Regen aufgehört und ab und zu blitzte ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke. Je näher sie Xela kamen, desto klarer wurde der Himmel, was Elise als gutes Omen deutete. Sie trieben die Reittiere an, um endlich den Ort zu erreichen, der sich ihnen inmitten eines Hochtals zeigte. Hinter der Stadt erhob sich eine Bergkette, die sich wie ein Schutzwall um Xela legte. Rund um die Stadt befanden sich Felder, auf denen Mais, Kartoffeln, Weizen, Gerste und Hafer angebaut wurde. Für Kaffeeanbau lag der Ort zu hoch, hatte Margarete erklärt.
»Sieh nur. Wie eindrucksvoll.« Georg wies Elise auf die Berge hin, die sich im Westen hinter der Stadt erhoben. »Der Santa María und der Cerro Quemado. Zwei Vulkane«, erklärte er.
»Aktive Vulkane?«, fragte sie erschrocken. Seitdem Elise über Pompeji gelesen hatte, hatte sie großen Respekt vor den Naturgewalten. Und die Geschichte ihrer Mutter über das Schicksal Antiguas hatte nicht
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