Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
lebenswichtigen Sache einfach über ihren Kopf hinweg entschied. Was war nur in ihren Vater gefahren, dass er sie so behandelte?
In den ersten Tagen, nachdem sie den verhängnisvollen Brief erhalten hatte, hatte sie immer wieder geweint, unterbrochen von Zornesausbrüchen, in denen sie mit allem geworfen hatte, was ihr in die Hände gefallen war. In den verhängnisvollen Tagen, in denen ein Brief ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte. Wie rosig und wunderschön, wie eine der Orchideen, die ihre Großmutter pflegte, war Margarete ihre Zukunft bis zu jenem Schreiben erschienen. Wie sehr hatte sie sich gefreut, wieder nach Hause zurückzukehren.
Obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte, hatten sich immer wieder Gedanken an Juan eingeschlichen, war die Hoffnung gewachsen, ihn wiederzusehen und seine Liebe zurückzugewinnen.
Und dann, mitten in ihre Freude hinein, platzte der Brief. Der bittere, ungerechte, ihr Leben zerstörende Brief.
Margarete war zu Boden gesunken und hatte das Schreiben drei-, viermal lesen müssen, weil sie es nicht glauben wollte. Nach der Fassungslosigkeit kamen die Tränen und mit rot geweinten Augen starrte Margarete auf die Worte. In dürren Sätzen teilte ihr Vater ihr mit, dass sie Karl Federmann heiraten sollte, sobald sie in Guatemala eingetroffen wäre. Karl, den Langweiler, den Sohn eines Finca-Besitzers, den Margarete nur ein paarmal in ihrem Leben gesehen hatte. Keine zehn Worte hatte sie mit ihm gewechselt, nichteinmal über das Wetter vermochte er zu plaudern. Nur die Kaffeeernte und der Weltmarktpreis hatten ihn interessiert. Margarete schüttelte sich, als sie sich an seine blassgrünen Augen erinnerte, mit denen er sie angestarrt hatte wie ein Jaguar ein pécari. Nur unter Aufbietung all ihrer Höflichkeit hatte sie die Treffen mit ihm überstanden.
Und nun sollte sie ein Leben mit ihm verbringen!
Niemals!
Lieber würde sie sterben, als in einer Ehe mit diesem Karl lebendig begraben werden. Margarete schaute wieder in die dunkle See. Dunkel wie Juans Augen. Nun drohte der Kloß in ihrer Kehle sie zu ersticken und sie schluchzte auf. Juan. Ein Jahr lang hatte sie nichts von ihm gehört. Kein Sterbenswörtchen. Warum hatte er ihr nie geschrieben? Vorsichtig hatte sie in ihren Briefen an Großmama nach ihm gefragt, war krank gewesen vor Sorge. Sie konnte kaum essen und magerte so stark ab, dass ihre Tante sie zu einem Arzt schleppte, der etwas von nervöser Erschöpfung murmelte. Endlich, endlich war der heißersehnte Brief von Großmama eingetroffen und …
Kein Wort über Juan. Margarete schloss sich eine Woche in ihrem Zimmer ein und weinte sich die Augen aus dem Kopf. Mit letzter Kraft riss sie jeden Gedanken an Juan aus ihrem Herzen, hielt den Kopf hocherhoben und stürzte sich in die Abenteuer Bremens. Nur nachts, wenn sie die Geräusche von La Huaca vermisste, das Zirpen der Grillen, das Brüllen der Affen und das Kreischen der Aras, spürte sie die Traurigkeit, die mit dem Heimweh einherging, in sich aufsteigen.
Doch je näher der Termin ihrer Rückkehr kam, desto häufiger kehrten die Gedanken an Juan zurück. Sei es, dasssie auf Bremens Straßen einen dunklen Haarschopf sah und dem Mann, ohne nachzudenken und mit klopfendem Herzen, nachlief. Sei es, dass sie in dunkle Augen schaute, die sie an den geliebten Jungen erinnerten und die sie beinahe zum Weinen brachten. Sei es der Geruch von Kaffee, der ihre Nase kitzelte. Vor wenigen Tagen brach sie beim Anblick einer Orchidee in Tränen aus, weil sie an die Weiße Nonne denken musste, die Juan ihr zum Abschied geschenkt hatte. Gerade als Margarete bereit war, sich einzugestehen, dass sie Juan noch immer liebte und immer lieben würde, war der Brief ihres Vaters mit der Heiratsandrohung eingetroffen.
Wie betäubt hatte sie ihre Sachen gepackt und sich von Tante und Onkel verabschiedet. Ohne die Menschen um sich herum wahrzunehmen, war sie an Bord des Schiffes gegangen, das sie nach Guatemala bringen sollte. Nach Guatemala. In eine triste Ehe und eine triste Zukunft.
In den Nächten hatte Margarete sich wieder und wieder von einer Seite auf die andere gewälzt und nach einer Lösung gesucht. Gestern hatte sie schließlich eine Entscheidung getroffen. Der Junge, den sie liebte, hatte sie vergessen und wohl eine andere gefunden. Ihre Familie hatte sie verraten. Und in der Heimat wartete ein Ehemann, den sie niemals lieben könnte. Nein, das Leben erschien ihr nicht mehr lebenswert. Mit einer energischen Bewegung
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