Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Margarete schob die Hand des Matrosen weg undschaute ihn von oben herab an. Elise war beeindruckt, war Margarete doch einen Kopf kleiner als er. »Ich werde Ihnen gern folgen. Aber bitte wahren Sie die Höflichkeit.«
»Schon gut.« Der Matrose schmunzelte. »Wenn die Damen und der Herr mir bitte Gesellschaft leisten wollen.«
»Bitte, es war meine Schuld«, sagte Margarete plötzlich und blieb stehen. Auf einmal lächelte sie den Matrosen an. »Bitte lassen Sie Georg und … das Mädchen gehen.«
»Ich heiße Elise«, sagte diese, enttäuscht darüber, dass Margarete sich Georgs Namen, aber nicht ihren gemerkt hatte. Sie wollte keine Hilfe von Margarete, aber sie wollte auch nicht zum Kapitän und Ärger mit ihren Eltern bekommen. Daher flehte sie auch den Matrosen an: »Bitte, lassen Sie uns gehen.«
»Was habt ihr da überhaupt gemacht?« Der Mann war stehen geblieben und kratzte sich am Kopf. »Wo gehört ihr überhaupt hin?«
»Meine Eltern sind im Unterdeck«, antwortete Elise. »Ich habe eine Kajüte. Und Georg schläft auch unten. Wir wollen nach Guatemala. Meine Eltern sind Forscher. Sie suchen nach Maya-Schätzen.«
Wie immer, wenn sie nervös war, redete Elise zu viel und konnte sich nicht bremsen. Sie sah aus dem Augenwinkel, dass Margarete lächelte und Georg den Kopf schüttelte. Ihre Wangen brannten, am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Gleichzeitig erschien es ihr äußerst ungerecht, dass sie sich schämen musste, obwohl die andere den ganzen Ärger verursacht hatte.
»Ich heiße Margarete Seler und reise mit Fräulein Alice Dieseldorf, meiner Gouvernante.«
Margarete wirkte selbstsicher und ruhig, gar nicht so,als ob sie noch vor Kurzem ihrem Leben ein Ende setzen wollte. Elise spürte eine Welle von Neid in sich aufsteigen. Niemals in ihrem Leben würde sie so eine Stärke erreichen. Ungerecht. Es war einfach ungerecht.
»Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen allen bereitet habe.«
Margaretes Lächeln hätte Berge versetzen können. Jedenfalls wenn man die Blicke sah, die der Matrose und Georg ihr zuwarfen. Elise fühlte sich unscheinbar und klein. Neben der strahlenden Margarete schien sie selbst zu verblassen.
»Nun gut, dann verschwindet.« Der Matrose zwinkerte dem Mädchen zu und grinste so breit, dass man seine Zahnstummel sehen konnte, die vom Priemkauen ganz braun waren. »Aber keinen Ärger mehr. Verstanden?«
»Danke schön.« Margarete knickste und bedeutete Georg und Elise, ihr zu folgen. So schnell sie konnten, eilten sie davon und suchten sich einen Platz unter Deck.
»Wollten Sie sich wirklich umbringen?«, fragte Georg entsetzt.
Margarete schwieg und senkte den Kopf. »Ich habe eine erschütternde Nachricht erhalten und gehandelt, ohne zu überlegen.« Sie schien mit sich zu ringen. Elise beobachtete, wie sich ihre Finger ineinander verschlangen. »Aber als ich gefallen bin, wurde mir bewusst, dass ich leben will. Trotz allem.«
»Was ist denn passiert, wenn ich fragen darf?« Elise war selbst erstaunt, dass sie so eine indiskrete Frage stellte. Aber immerhin hatten Georg und sie das Mädchen ja vor dem Tod bewahrt. Da durfte man auch schon mal geradeheraus fragen. »Können wir helfen?«
»Mein Vater will mich verheiraten. Mit einem Mann, den ich niemals lieben kann.« Margaretes Finger flochten sich wieder ineinander. »Das hat er mir geschrieben. Wenige Worte in einem Brief.«
»Wie unerfreulich.« Georg klang erschüttert und Elise sah ihn fragend an. »Sie müssen sich wehren.«
»Woher kommen Sie?«, mischte sich Elise ein, bevor Georg Margaretes gesamte Aufmerksamkeit für sich beanspruchen konnte. »Und wohin wollen Sie?«
»Aus Bremen.« Margarete lächelte sie an. »Und ich kehre nach Hause zurück. Auf unsere Finca La Huaca bei Cobán. Und Sie, was führt Sie nach Guatemala?«
»Elises Eltern erforschen die Tempel der Maya und ich helfe ihnen.« Georg richtete sich auf und bemühte sich, größer zu wirken. »Wir waren schon einmal in Guatemala. Vor zwei Jahren.«
»Dann kennen Sie ja das Land.« Margarete wirkte auf einmal glücklich. »Ist es nicht wunderschön da? Nicht umsonst nennt man es ›Seele der Erde‹.«
»Ich denke, wir sollten jetzt besser in unsere Kajüten gehen«, unterbrach Elise das Gespräch, auch wenn sie gern mehr erfahren hätte. »Sonst bekommen wir wirklich noch Ärger.«
»Wir haben die Ruinen von Tikal besucht.« Georg schien das Drängen in Elises Stimme nicht gehört zu haben oder –
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