Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
glauben. »Sie muss alle Briefe abgefangen haben. Sie oder das Fräulein.«
Ihre Brust bebte, weil sie den Atem so hastig einzog und wieder ausstieß, um die Wut zu bezähmen, die sich ihrer bemächtigen wollte. Doch dann gelang es der Freude, all die dunklen Gedanken und Gefühle beiseitezuschieben.
»Du … du hast auf mich gewartet«, flüsterte sie und biss sich auf die Unterlippe, um nicht in Tränen auszubrechen, weil Juan ihr weit mehr vertraut hatte als sie ihm. »Du hast an uns geglaubt.«
»Ich hatte es dir versprochen.« Mehr musste er nicht sagen. Mit einem unterdrückten Schluchzer stürzte sich Margarete in seine Arme, presste ihren Kopf an seine Brust und weinte. Weinte Tränen der Dankbarkeit darüber, dass sie ihre Liebe nicht verloren hatte, dass die Möglichkeit, ein gemeinsames Leben mit Juan zu führen, immer noch bestand.
Sanft hob er ihren Kopf, sodass sie ihm in die Augen schauen konnte. In seinem Blick lag so viel Liebe, dassMargaretes Herz zu zerspringen drohte. Sie schloss die Augen, voll gespannter Erwartung. Endlich beugte er sich vor und küsste sie. Alles war vergessen. Jetzt zählte nur der Augenblick. Juans Kuss.
»Mar-ga-re-te!«, erklang die gefürchtete spitze Stimme und zerstörte den Augenblick des Glücks. Das Fräulein. Margarete spürte den Zorn zurückkehren. »Mar-ga-re-te!«
Warum nur hatte ihr Vater die Gouvernante zurückgeholt? Sicher weil er sie bestrafen wollte, als sie sich weigerte, Karl Federmann zu heiraten. Warum redete ihr Vater nicht mit ihr, damit sie sich ihm gegenüber erklären konnte? Sie würde sicher einen Weg finden, die Finca zu retten, ohne ihre Liebe zu opfern.
»Ich muss gehen.« Juan küsste sie noch einmal leidenschaftlich, dann riss er sich aus ihren Armen. »Sie sollte mich nicht sehen.«
»Ja, geh.« Margarete nickte. Ihr Verstand sagte ihr, dass das das Richtige sei, aber ihr Herz wünschte, dass er für immer bei ihr bliebe. Sie wollte sich nicht wieder von ihm verabschieden, nachdem sie ihn gerade erst wiedergefunden hatte. »Schnell. Das Fräulein wird gleich hier sein.«
Er lief ein Stück, drehte sich noch einmal um und eilte mit großen Schritten auf Margarete zu. Er presste seinen Mund so fest auf ihre Lippen, dass es schmerzte. »Morgen wieder hier an unserem Wasserfall?«
»Ja, aber nun spute dich.« Margarete schaute sich ängstlich um, ob die Gouvernante bereits zu sehen war. »Morgen. Am Nachmittag.«
26
Am nächsten Morgen, fünf Tage waren inzwischen nach dem heftigen Streit über Karl Federmann vergangen, ließ ihr Vater Margarete zu sich rufen. Mit klopfendem Herzen eilte sie die Treppen hinunter und hoffte, dass er nun endlich bereit sei, ihre Sicht der Dinge anzuhören. So wütend und bitter hatte sie ihn noch nie erlebt und sie vermochte sich nicht vorzustellen, was er wohl sagen würde, wenn er von ihrem Treffen mit Juan wüsste. Oder hatte er bereits davon erfahren und wollte sie nun zur Rede stellen? Ihre Kehle fühlte sich trocken an. Sie räusperte sich, um ihrer Stimme die nötige Kraft zu verleihen. Dann holte sie tief Luft. Ihr Vater durfte ihr nicht anmerken, dass sie sich fürchtete.
»Margarete.« Alfred Seler erwartete sie in der Sala. Den Salon müssen wir erhalten, sonst verlieren wir alle Chancen auf eine gute Partie, hatte ihre Großmutter gesagt. Margarete hatte nur den Kopf geschüttelt. Als ob die anderen Kaffeebauern nicht wussten, wie es um ihre Finca stand. Als ob der drohende Ruin nicht längst Tagesgespräch in der kleinen deutschen Gemeinde war. Trotzdem hatte sie geschwiegen, um ihrer Großmutter die Illusionen nicht zu rauben.
Hinter ihrem Vater, beinahe verdeckt von seiner kräftigen Statur, entdeckte Margarete einen Mann. Ihre Hand flog an den Hals, ihr Herz schlug schneller. Sollte ihr Vater es gewagt haben, diesen Karl Federmann ein zweites Maleinzuladen? Dann blieb ihr nur noch, unfreundlich zu sein, etwas, das ihrem Wesen gänzlich widersprach.
»Schau nur, wer hier ist.« Ihr Vater lächelte Margarete an, als ob es nie einen Streit gegeben hätte. Mit einem schelmischen Zwinkern trat er einen Schritt zur Seite. Margarete ließ die Hand sinken und stand da wie versteinert, überwältigt von der unerwarteten Begegnung. Juan. Ihr Vater hatte Juan eingeladen und würde sie den Mann heiraten lassen, dem ihre Liebe gehörte. Doch auf den zweiten Blick schlich sich Enttäuschung in ihr Herz. Schon einmal hatten die dunklen Haare, die gebräunte Haut sie getrogen, als sie den Besucher
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