Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
kleinlaut. »Es war dunkel, aber es muss hier in der Nähe sein.«
»Schön!« Henni Hohermuth klatschte in die Hände. Sie sprang auf und lief aufgeregt vor dem Feuer hin und her. Das Licht der Flammen bildete flackernde Schatten auf ihrem Gesicht ab, die sie aussehen ließen wie eine Maya-Gottheit. »Heute ist es schon zu dunkel. Aber morgen früh machen wir uns gleich auf die Suche nach unseren Tempel.«
Auf einmal kam sich Elise vor wie eine Verräterin. Sie hatte doch ihr Wort gegeben!
»Mutter«, sagte sie. »Der Indio, also der Wächter desTempels, hat mich gebeten … also … er bat mich, dass wir die Maya-Heiligtümer im Land lassen und nicht in unsere Museen bringen.«
»Wie bitte?« Henni Hohermuth blieb abrupt stehen. Sie stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. »Was sagst du da? Was für ein Indio? Welcher Wächter?«
Elise überlegte. Ihre Worte mussten sorgfältig gewählt werden, um ihre Mutter nicht zu verärgern.
»Der Schamane …« Sie holte tief Luft. »Der Indio, der mich gerettet hat. Er … er hält es für Diebstahl, wenn Forscher die wichtigsten Heiligtümer der Maya-Kultur außer Landes bringen.«
»So ein Unsinn!« Mit zwei großen Schritten kam Henni auf Elise zu. »Die Maya-Kultur ist schon lange ausgestorben. Die Indios sind inzwischen alle brave Katholiken.«
»Nur weil man sie dazu gezwungen hat«, sagte Georg plötzlich in strengem Tonfall. Seine Stimme klang gelassen, aber er hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Die Spanier ließen den Maya keine Wahl, oder?«
»Georg! Von dir hätte ich das nicht erwartet.« Johann Hohermuth stellte sich demonstrativ neben seine Frau. »Du solltest es besser wissen. Ohne die Forschung würden die Artefakte verfallen. Weil die Indios sich nicht dafür interessieren und alles verrotten lassen.«
»Weil es für die armen Menschen wichtiger ist, für sich und ihre Kinder etwas zu essen zu bekommen«, schnappte Elise. Wie konnten ihre Eltern nur so blind für die Lage der Ureinwohner sein? Sie hatten doch oft genug in Indio-Dörfern übernachtet und die Armut der Menschen mit eigenen Augen gesehen. »Das gibt uns noch lange nicht das Recht, ihre Tempel auszurauben.«
»Ausrauben?! Was benutzt du nur für Begriffe?« Henni schnaubte vor Zorn. »Kleines Fräulein, werde erst einmal erwachsen und lerne die Welt kennen, bevor du ernsthafte Forscher mit derart ungerechtfertigten Vorwürfen überziehst.«
Elise war fassungslos. Wie konnten ihre Eltern nur so ignorant sein. Sie ballte die Hände zu Fäusten, aber sie schwieg. Jedes weitere Wort würde den Streit nur verschärfen. Dabei hatte sie sich so sehr nach dem Wiedersehen gesehnt und nun … »Gute Nacht«, sagte sie schließlich steif. Dann griff sie nach ihrem Moskitonetz und einer Decke. Mit einem Krampf in den Beinen erhob sie sich und suchte sich einen Platz weit weg von ihren Eltern. Ein Gefühl aus Wut und Traurigkeit brach sich Bahn, nur mühsam konnte sie die Tränen zurückhalten.
Sie legte sich hin und schloss die Augen. Wenn sie doch nie in diesen Tempel gefallen wäre! Oder wenigstens ihr Versprechen dem Brujo gegenüber gehalten hätte.
Als sie bemerkte, dass sich jemand neben ihr niederließ, öffnete sie die Augen. Georg nickte ihr zu. Sie lächelte und schlief ein, in der Gewissheit, dass er sie vor allen Gefahren beschützen würde.
J emand beugte sich über sie und hielt ihr den Mund zu. Elise schlug wild um sich und versuchte, demjenigen in die Hand zu beißen.
»Pst!«, zischte Georg. »Komm mit! Los, beeil dich!«
Derart unerwartet aus dem Schlaf gerissen, reagierte Elise völlig orientierungslos. Dann hörte sie von links, dort wo ihre Eltern und die Träger schliefen, tumultartige Geräusche. Verschiedene Stimmen schrien durcheinander. EinSchuss wurde abgefeuert. Schlagartig war sie wach. Angst griff nach ihrem Herzen und ließ sie schaudern. Mit zitternden Knien stand sie auf.
»Was passiert hier?«, krächzte sie. Ihr Mund fühlte sich trocken an, Panik drohte sie zu übermannen. »Meine Eltern, wo sind meine Eltern?«
»Banditen.« Georg zog sie hinter sich her, hinein in das dunkle Grün des Dschungels. So zielsicher, als wäre es heller Tag. »Wir müssen fliehen.«
»Nein!« Abrupt blieb Elise stehen. »Meine Eltern. Wir müssen ihnen helfen.«
»Sei nicht dumm!«, schnauzte Georg sie an. »Wir haben keine Waffen. Wir müssen Hilfe holen.«
Sie biss sich auf die Lippe. Was sollte sie nur tun? Georg folgen oder bei ihren
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