Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
die Flügel eines Kolibris. Es hatte sie viel Überwindung gekostet, Roberts Angebot abzulehnen. Zu verlockend erschien ihr die Zukunft, die ihr eine Ehe mit ihm bieten konnte. Die Sicherheit einer Kaufmannsgattin verbunden mit der Freiheit, weiterhin Juan lieben zu können. Aber Juan hatte sich so sehr gegen das Arrangement gesträubt, dass Margarete keinen anderen Ausweg sah. »Er … er möchte in vier Wochen noch einmal wiederkommen, sagte er, und ist jetzt nach Xela gereist.«
»Wirst du deine Entscheidung ändern?« Juan hielt den Atem an.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte. »Ich werde Robert Linden niemals heiraten. Ich liebe dich.«
»Dann lass uns zusammen weglaufen. Bitte, ich kann so nicht leben.«
Margarete antwortete nicht, sondern betrachtete ihn nur schweigend. Die dunklen Haare, schwarz wie das Fell des Jaguars, die braunen Augen, die sie voller Liebe ansahen. Sie hob die Hand und strich sanft über die feine Narbe auf Juans Wange, die sich wie ein heller Strich von seiner dunklen Haut abhob. Die Narbe, die er ihr verdankte.
»Lass uns gehen.« Juan schaute sie liebevoll an, aber seine Stimme klang drängend. »Du hast alles getan, um die Finca zu retten. Du bist deinem Vater nichts schuldig. Lass uns woanders einen Neuanfang machen.«
»Wo sollten wir denn hin?«, flüsterte sie und hasste sich dafür, dass sie nicht bereit und stark genug war, ihr Leben zurückzulassen und gemeinsam mit Juan die Flucht zu wagen. Liebte sie ihn nicht genug? Immer wieder stand ihr die Vernunft im Weg. Immer wieder fragte sie sich, wie eine gemeinsame Zukunft mit Juan aussehen könnte. Die Tochter eines Finca-Besitzers, die mit einem Indio lebte. Ausgestoßen würden sie sein. Von ihren und von seinen Leuten. Und wovon sollten sie leben? Manchmal wünschte Margarete – und sie verachtete sich für diesen Wunsch –, dass Juan sie während ihres Bremer Jahres vergessen hätte, dass sie sich nur noch als ehemals Liebende begegnet wären. Mit schönen Erinnerungen, aber die Gefühle verblasst wie ein altes Bild. »Juan, ich … ich liebe dich, aber … aber meine Familie. La Huaca. Alles, was ich aufgebaut habe. Was meine Familie aufgebaut hat …«
Sie löste sich von ihm, stand auf und ging zum Wasserfall. Sie bewunderte die Regenbogenfarben, die sich bildeten, wenn die Sonne auf die Gischt des fallenden Wassers traf. Als Kind hatte sie einmal versucht, das Ende eines Regenbogens zu finden. Mit dem Topf voller Gold wollte sie noch mehr Tieren eine Heimat bieten, neben Adele und dem Gürteltierjungen, das sie gerettet hatte. Der Plan war gescheitert und im Laufe der Jahre waren ihre Wünsche andere geworden. »Ich kann meine Großmutter jetzt nicht im Stich lassen.«
»Ich weiß. Dafür liebe ich dich.« Juan war ebenfallsaufgestanden und hinter Margarete getreten. Er legte seine Arme um sie und drückte sie an sich. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Doch dein Vater wird nie zulassen, dass wir uns lieben.«
»Ich weiß.« Für einen Augenblick schloss Margarete die Augen. Sollte es möglich sein? Sollte es einen Ort geben, an dem sie und Juan als Mann und Frau leben konnten? »Wir müssten Guatemala verlassen. Aber wohin sollten wir gehen? Nach Deutschland etwa?«
»Ich kenne dein Land nicht.« Margarete spürte das Lächeln in Juans Stimme. Er schien wirklich bereit, alles für sie aufzugeben. »Aber mit dir gehe ich überallhin.«
»Und deine Familie? Wer wird ihnen helfen, wenn du sie verlässt?« Margarete kam sich schäbig vor, dass sie nach einem Grund suchte, der auch Juan in Guatemala hielt. Wenn er sie so sehr liebte, da konnte sie doch nicht zurückstehen, oder? »Ich fürchte, wir sind beide gebunden.«
»Nein!« In Juans Stimme lag so viel Härte, dass Margarete erschrocken zusammenfuhr. Was ließ ihn plötzlich so zornig werden? »Ich kann nicht mehr warten. Ich habe ein Jahr gewartet, ohne zu wissen, wie es dir geht. Das könnte ich nicht noch einmal ertragen.«
Margarete schwieg. Zum ersten Mal seit ihrem Wiedersehen wurde ihr schmerzlich bewusst, wie düster ihre Zukunft aussah. Niemals würde ihr Vater erlauben, dass sie einen Indio heiratete. Er würde weiterhin versuchen, sie wie eine Zuchtstute an den Meistbietenden zu verschachern, um seine Ehre und die Finca zu retten. Und ihre Großmutter? Minna Seler würde in dem Streit zerrieben werden und erlöschen wie eine Kerze. War da ein klarer Schnitt nicht die bessere Lösung für alle?
»Warum nicht?«,
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