Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Tuns.
»Entschuldige. Bitte entschuldige«, flüsterte sie, nachdem er wieder aufgetaucht war. »Ich bin nur so froh, dass du lebst.«
»Und ich bin froh, dass du lebst.« Täuschte sie sich oder schwang ein Lächeln in seinen Worten mit? Elise strampelte mit ihren Beinen heftig im Wasser und bemühte sich, in der aufkommenden Morgendämmerung sein Gesicht zu erkennen.
»Lass uns das Ufer erreichen.«
Elise nickte und schwamm mit kräftigen Zügen los. Georg war schneller und reichte ihr die Hand, um ihr aus dem Wasser zu helfen. Als er sie ans Ufer zog, berührten sich für einen Moment ihre Körper und Elise durchlief ein wohliger Schauder. Sie ließ sich fallen und atmete mehrmals tief ein und aus. Jetzt war Elise ihr Gefühlsausbruch noch peinlicher. Sie wünschte sich ein Mäuseloch, um darin zu verschwinden.
»Alles in Ordnung mit dir?« Georg klang besorgt. Elise hätte ihm gern geantwortet, aber ihre Stimme versagte. »Elise?«
Sanft berührte er ihre Schulter. Sie presste die Augenlider zusammen und nickte.
»Bleib hier. Ich suche uns etwas zu essen.«
»Nein!« Elise öffnete die Augen und schaute Georgflehend an. Inzwischen war der Morgen angebrochen und sie erkannte die Sorge auf seinem Gesicht. Und Fragen. Viele Fragen. »Bitte, bitte lass mich nicht allein.«
»Schon gut.« Georg setzte sich neben sie und legte vorsichtig den Arm um sie. Sie versteifte den Rücken und saß kerzengerade da. Spürte seine Nähe. Die Wärme, die sein Körper ausstrahlte. Das Gefühl, das seine Lippen auf ihren Lippen hinterlassen hatte. »Wir können etwas rasten, aber dann sollten wir bald weiter.«
Mehr musste er nicht sagen. Zu stark hatte sich die Angst vor den Banditen, der Sprung in die Tiefe und der Schuss in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sie seufzte und lehnte sich an seine Schulter. Sie brauchte nur etwas Ruhe. Zeit, ihre Gedanken zu ordnen, ihre Gefühle zu verstehen.
»Was können wir nur tun?« Elise löste sich aus Georgs Arm, stützte den Kopf in die Hände und weinte still vor sich hin. »Wir wissen nicht, was mit meinen Eltern ist. Wir haben keine Bleibe. Und wir haben kein Geld.«
»Es ist nicht weit bis zu dem Indio-Dorf«, sagte Georg. »Dort sind unsere Pferde und vielleicht helfen die Indios uns weiter.«
»Und wenn sie mit den Banditen unter einer Decke stecken?«, platzte Elise heraus und schämte sich sogleich für ihr Misstrauen. Hatte nicht ein Indio ihr Leben gerettet? »Ach, es tut mir leid. Findest du den Weg?«
Georg nickte. »Dann lass uns bald aufbrechen.« Seine Stimme klang voller Sorge …
»Ich schaff das schon.« Elise schluckte. Tränen würden ihr nicht weiterhelfen. »Ich muss es schaffen. Für meine Eltern.«
Kurz darauf machten sie sich auf den Weg, immer in derAngst, dass die Banditen sie verfolgten. Georg zeigte Elise Früchte und Beeren, mit denen sie den gröbsten Hunger stillen konnten. Völlig erschöpft erreichten sie am späten Nachmittag das Indio-Dorf.
»Warte hier.« Georg hob die Hand. »Ich schaue erst, ob es sicher ist.«
Elise nickte. Ihr Knie schmerzte wieder und ihr war elend zumute. Sie versuchte, keinen Gedanken an das Schicksal ihrer Eltern zuzulassen, weil sie sonst jeglichen Mut verloren hätte. Sie kauerte am Boden und starrte vor sich hin.
K omm.« Georg berührte sie sanft an der Schulter und Elise schaute zu ihm auf. »Sie geben uns einen Schlafplatz und etwas zu essen. Auch wenn wir kein Geld haben.«
Elise bedankte sich bei den Indios, die so freundlich waren, ihnen eine Hütte zur Verfügung zu stellen.
»Was können wir nur tun?«, fragte Elise, die am ganzen Körper zitterte. Der Schrecken des Erlebten stürzte wieder auf sie ein. Sie zog die Knie an den Körper und umschlang sie mit den Armen. »Wie sollen wir nur meine Eltern finden?«
Georg legte seinen Arm um ihre Schultern. »Wir müssen zu Geld kommen. Und wir brauchen einen Spurenleser.« Er zog sie ein bisschen näher zu sich heran. »Die Guardia Civil wird uns nicht weiterhelfen«, überzeugte er sie.
»Wer kann uns helfen? Gibt es Freunde meiner Eltern? Ihr Auftraggeber?«, sprach Elise ihre Gedanken laut aus und erkannte im selben Augenblick deren Aussichtslosigkeit. Niemand würde ihnen Geld geben, damit sie einen Suchtrupp in den Regenwald schickten, um ihre verschollenen Eltern zu retten. Sie brauchten jemanden, der ihnenvertraute. Jemanden in ihrem Alter. Plötzlich stand der Name glasklar vor ihrem geistigen Auge. »Margarete. Ihre Familie ist reich! Sie wird uns
Weitere Kostenlose Bücher