Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
sicher helfen.«
Georg überlegte einen Augenblick. Unschlüssig ging er in der Hütte auf und ab. »Die Reise nach Cobán wird eine Weile dauern. Aber es ist eine Chance. Und etwas Besseres finden wir auf die Schnelle nicht. Morgen früh brechen wir auf.«
A m nächsten Morgen sattelten sie in aller Frühe ihre beiden Reittiere. »Nemo.« Elise war ihrem Maultier um den Hals gefallen. Und hatte – Gott sei Dank – in der Satteltasche ihre Tagebücher wiedergefunden. Ein gutes Omen. Hoffentlich.
Die Dorfbewohner hatten sich versammelt und wünschten ihnen Glück bei ihrer Suche.
»Hier, bitte. Für die Reise.« Die Indio-Frau lächelte Elise an und reichte ihr eine gewebte Tasche, schwer von Maisfladen und Obst. »Wir beten für euch.«
»Danke. Ich danke Ihnen sehr.« Elise standen Tränen der Rührung in den Augen. Für diese armen Menschen, die gerade genug zum Leben hatten, war es selbstverständlich, ihr Weniges mit ihnen zu teilen.
Als sie auf Nemos Rücken steigen wollte, kam ein kleines Indio-Mädchen auf sie zu. Ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht und es hielt ihr etwas entgegen. Es war ein kleiner Stoffbeutel, ein Rest Webware, wie er wohl anfiel, wenn man Blusen schneiderte.
Elise ging in die Knie. Das Kind reichte ihr den Beutel und sagte etwas in der Maya-Sprache.
»Tut mir leid, aber ich verstehe dich nicht.«
Das Mädchen lächelte und streichelte über Elises Wange und zog sie schließlich kräftig an den Haaren. Elise verzog das Gesicht und versuchte vorsichtig, die Faust der Kleinen zu lösen. Endlich ließ sie Elises Haar los und grinste von einem Ohr zum anderen.
»Na, dir kann man ja beim besten Willen nicht böse sein. Wie heißt du denn?«
Die Kleine schaute sie mit schief gelegtem Kopf an.
»Du sprichst wohl kein Spanisch?«, fragte Elise, obwohl sie ahnte, dass sie keine Antwort bekommen würde.
»Xioma! Xioma!« Eine Indio-Frau, kaum älter als Elise, kam auf sie zugelaufen. »Die Kleine wollte ihnen unbedingt ihre Sorgenpüppchen schenken.«
Ach, das also befand sich in dem Beutel. Elise lächelte. »Danke, aber das kann ich nicht annehmen.«
Wieder sagte das Kind etwas.
»Doch, sie will sie Ihnen schenken«, übersetzte die Mutter.
»Vielen Dank. Das ist ja rührend.« Elise spürte einen Kloß im Hals. Gern hätte sie diese freundlichen Menschen besser kennengelernt, aber … »Vielen, vielen Dank.« Sie schwang sich auf Nemos Rücken und ritt in schnellem Trab aus dem Dorf.
S tunden später holten die Erschöpfung und der fehlende Schlaf sie ein.
»Ich … ich kann nicht mehr.« Elise hielt das Maultier an und ließ sich von seinem Rücken gleiten. Ihr Magen knurrte, ihr Körper fühlte sich wund an, und sie glaubte nicht mehr daran, dass sie Cobán jemals erreichen würden. »Wozu das alles? Meine Eltern sind ermordet. Alles ist verloren. Ich will nach Hause.«
Georg stieg ab, reichte ihr eine Hand und zog sie sanft in seine Arme. Sie legte den Kopf an seine Schulter und schluchzte erbärmlich. Er streichelte ihr über die Haare und murmelte beruhigende Worte – und sie genoss das Gefühl von Geborgenheit. Ach, warum konnte er sie nicht lieben?
Endlich, endlich erreichten wir die Finca von Margarete Seler. Als wir das Haus betraten, wurden wir beinahe von einem Nabelschwein umgerannt, das von einer dicken Indio-Frau verfolgt wurde. Sie schwang einen Kochlöffel und stieß laute Flüche in Kekchí aus. Ich verstand kein Wort, aber der Ärger ließ sich auf ihrem Gesicht ablesen. Eine Situation, über die ich sicher herzlich gelacht hätte, wäre ich nicht so verzweifelt gewesen.
Ich fragte die Indio-Frau nach Margarete. Sie rief »Adele«, woraufhin ich wieder nach Margarete verlangte. Nach mehrmaligem Hin und Her holte sie sie schließlich.
Nach einer – trotz der Überraschung – herzlichen Begrüßung erklärte ich Margarete unser Anliegen. Sie hielt einen Finger an die Lippen und führte uns schweigend durch den Salon und einige andere Räume, bis wir in ihrem Zimmer ankamen.
»Wartet bitte«, sagte sie nach einer Weile. »Ich hole Juan.«
44 Bremen 2011
»Warum liest du nicht weiter?« Julia schaute Isabell auffordernd an. »Jetzt wird’s gerade spannend.«
Isabell legte das Tagebuch zur Seite und beugte sich über die Holzkiste. Sie wühlte darin herum. »Hier ist nichts mehr. Das war das letzte Heft. Wahrscheinlich hat Elise danach aufgehört, Tagebuch zu schreiben.«
»Das wäre ja total blöd.« Julia rieb sich die Nase. »Wie in
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