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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Heidelbeersirup und Wasser aus der Küche und
setzte sich an den Tisch.
    Grete trank keuchend ein paar Schlucke, dann platzte sie heraus:
»Wir haben es kommen gesehen, dass irgendetwas in der Art ans Licht kommt! Der
Herr Pfarrer …« – sie bezeichnete ihren eigenen Ehemann immer als den »Herrn
Pfarrer« – »… sagte schon, als Frieder zurückkam: Grete, wenn der nur nicht
eine Todsünde auf dem Gewissen hat! Du weißt ja, Neele, wie er früher war, kein
freundlicher Mensch, aber doch ein anständiger. Und nun schlich er herum wie
das leibhaftige schlechte Gewissen und betrank sich jeden Tag. Er wollte uns
nichts drüber sagen, wo er gewesen war und was er in der Zeit getrieben hatte,
er wollte überhaupt mit keinem Menschen reden, sondern schloss sich hier im
Haus ein und brütete vor sich hin. Und einmal, da fuhr er nach Bremerhaven und
kam mit einem dicken Packen Zeitungen zurück, allen Zeitungen, die man in der
Stadt nur kaufen kann. Es fand aber niemand heraus, was ihn so interessierte,
dass er es in allen Zeitungen nachlesen musste. Hätten wir es gewusst, hätten
wir gleich gesehen, dass es mit dem Mord an der alten Dame zu tun hatte.« Sie erfrischte sich mit ein paar weiteren Schlucken und
fragte dann halb mitfühlend, halb neugierig: »Und was wirst du nun machen,
Neele?«
    Die junge Frau zuckte die Achseln. »Der Polizeikommandant sagte mir,
ich würde bald Witwe sein.«
    Grete schreckte zusammen, als sie die furchtbaren Worte so ruhig ausgesprochen
hörte. Tränen sprangen ihr in die Augen. »Ach, Neele!«,
rief sie aus. »Wenn du ihn nicht allein gelassen hättest, dann wäre das nicht
geschehen!«
    Neele starrte sie an. »Ich hätte ihn allein gelassen? Er hat mich an
Bord der Meisje Mariaan gehen lassen und ist
abgehauen, sobald ich ihm den Rücken zugewandt hatte!«
    Â»Ja, aber du musst ihm doch einen Grund gegeben haben, dass er dich
nicht mehr wollte! Ein Mann entschließt sich doch nicht so einfach, seine Frau
zu verlassen, wenn er keinen Grund dafür hat. War irgendetwas zwischen euch,
das ihn dazu gebracht hat …«
    Neele erhob sich. »Wenn du jetzt mir die Schuld geben willst, dann
geh lieber. Ich habe zu viel mitgemacht, als dass ich mir jetzt auch noch
anhören muss, ich sei schuld daran, dass mein Mann zum Raubmörder geworden ist.
Ich sehe ihn jetzt mit anderen Augen, Grete. Er war einer, der alles auf die
leichte Tour wollte. Als ich ihm lästig war, hat er mich verlassen. Als er kein
Geld mehr hatte, musste eine alte Frau sterben.« Sie
schritt zur Tür und öffnete sie. »Geh jetzt, Grete, und komm nicht wieder.«

Die Einsiedlerin
    1
    N eele machte
unübersehbar deutlich, dass sie keine Besuche mehr wollte, indem sie zwei
scharfe Metzgerhunde kaufte, die Tag und Nacht frei in Haus und Hof herumliefen.
Selbst der Postbote musste die Post in eine hölzerne Kiste stecken, die hundert
Schritt vor dem Hoftor am Wegrand aufgestellt war. Alles, was Frieder gehört
hatte, warf sie in den Hof und verbrannte es. Sie räumte Onkel Mertens
Waffenkammer aus und legte seine Jagdgewehre, gereinigt und geladen, im Wohnzimmer
griffbereit, um unerwünschten Besuchern den rechten Empfang zu bereiten.
    Seit Neele durch ein zweites Ausbleiben ihrer Blutungen und ihre
ständige morgendliche Übelkeit die Überzeugung gewonnen hatte, dass sie
tatsächlich schwanger war, lebte sie ganz für sich und das ungeborene Kind. Sie
stattete das Spukzimmer mit Bettwäsche und Teppichen aus Tante Käthes reichen
Vorratsschränken aus und holte vom Dachboden die Wiege, in der sie selbst einst
geschaukelt worden war. Es war ein schönes altes Stück mit einem geschnitzten
und vergoldeten Haupt, ein Erbstück, das Elsie auf den Moorhof gebracht hatte.
Jetzt sollte Ameyas Kind in derselben Wiege liegen, in der Gajarajas Kind einst
gelegen hatte.
    Es wurde August, dann September, schließlich Oktober. Diesmal ertrug
Neele die Schwangerschaft mit wunderbarer Leichtigkeit, selbst die Übelkeit am
Morgen nahm sie mit einem Lächeln hin, ebenso wie die Kreuzschmerzen, die sich
bemerkbar machten, als das Ungeborene wuchs und schwerer wurde. Sie lebte wie
in einem Traum. Wenn sie mit der geringen Arbeit, die Tiere zu füttern und das
Zimmer zu fegen, fertig war, setzte sie sich an den Wohnzimmertisch und war
dann stundenlang damit beschäftigt, ihre Erlebnisse

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