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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Decke.
Neele spürte, wie sich sein eisiger Körper erwärmte. Sie strich zärtlich über
seine Schulter, seine nackte Brust – und fühlte am Herzen ein nussgroßes Loch,
das sich wie ein Trichter ins Leibesinnere senkte, genau an der Stelle, wo der
tödliche Pfeil ihn getroffen hatte. Fast hätte sie aufgeschrien, aber sie
fürchtete, dass jedes laute Wort den süßen Wahn verscheuchen könnte, deshalb
sagte sie nichts und zog ihre Hand zurück. Sein Kopf lag an ihrer Schulter, und
sie atmete den Duft der Gewürznelken ein, den er bei jedem Atemzug verströmte.
    So dunkel war die Nacht und so seltsam seine Nähe, dass es ihr wie
ein Traum erschien, als sie einander liebten.

2
    S ie musste lange
und außergewöhnlich tief geschlafen haben, denn als sie erwachte, schimmerten
graue Streifen durch die geschlossenen Fensterläden, und sie hörte das hungrige
Pferd im Stall wiehern. Sie blieb jedoch noch einen Augenblick mit geschlossenen
Augen liegen, damit die Seligkeit des Traums der vergangenen Nacht nicht zu
schnell verflog. Ameya war wieder dagewesen, so real wie im wirklichen Leben.
Sie hatte ihn geküsst, hatte ihn umarmt, hatte ihn in ihr Bett gezogen. Mit einem
tiefen Seufzer streckte sie, wie schon so oft, die Hand nach der Stelle aus, wo
er im Traum gelegen hatte – und berührte nackte Haut.
    Sie fuhr im Bett hoch, dass ihr von der
plötzlichen Bewegung schwindelte. War sie nun so vollkommen verrückt geworden,
dass ihre Halluzinationen noch am helllichten Tage weiterbestanden? Da lag ihr
Mann, den sie sterben gesehen hatte, und schlief, in das dicke Federbett
gewickelt. Plötzlich überkam sie Angst. Sie liebte ihn, aber sie wusste ja,
dass er tot war, und doch war er hier. Sie erinnerte sich an die Geschichten,
die man sich in Java von den Leyaks erzählte, den untoten Wesen, die auf Friedhöfen
hausten und nachts die Lebenden heimsuchten, um sie mit spitzen Zähnen in die
Kehle zu beißen. Unwillkürlich tastete sie ihre Kehle ab. Nein, da war nichts.
Und sie war wach! Oder hatte sie, wie früher schon, einen Albtraum, in dem sie
aufzuwachen meinte und doch weiterträumte?
    Leise stieg sie aus dem Bett und öffnete die Fensterläden. Das graue
Licht eines regnerischen Tages drang herein, fiel in einer breiten Bahn über
die Gestalt im Bett. Neele beugte sich über ihn. Es war ein Mann, ein lebender
Mann. Ihr Mann.
    Als ihr vollends bewusst wurde, dass sie weder träumte noch einer
Wahnvorstellung erlegen war, dass sie wirklich Ameya vor sich sah, überwältigte
sie das Gefühl so, dass sie ohnmächtig zu Boden sank.
    Sie kam wieder zu sich, als jemand ihre Hände rieb und ihre Wangen
tätschelte. Noch benommen schlug sie die Augen auf und blickte in Ameyas
Gesicht. »Du bist am Leben?«, flüsterte sie.
    Er lächelte. »Jetzt wunderst du dich? Gestern erschien es dir ganz
selbstverständlich.«
    Â»Weil ich dachte, du wärst eine Erscheinung – ein Traum. Ich war in
letzter Zeit oft verwirrt … meinte, dich im Nebenzimmer zu hören, oder
träumte, dass du die Nacht bei mir warst. Es war alles so unwirklich.«
    Â»Ich war so erschöpft und durchfroren, dass ich kaum etwas zu sagen
vermochte. Es war ein langer Ritt bei dem Unwetter, aber ich wollte nicht im
Dorf bleiben, ich konnte es nicht erwarten, dich zu sehen. Und außerdem ist es
ein sehr unfreundliches Dorf. Ich bezweifle, ob sie mir gestattet hätten, dort
zu übernachten, hätte ich danach gefragt.«
    Â»Ja, das kann ich mir denken.« Neele hatte
immer noch das Gefühl, dass ihre Welt auf dem Kopf stand. Bemüht, wenigstens
etwas alltägliche Ordnung in die surreale Situation zu bringen, stand sie auf
und langte nach ihrer Unterwäsche. »Komm, zieh dich an! Ich mache Kaffee für
uns, und dann musst du mir alles erzählen.«
    Sie ging ihm voraus ins Wohnzimmer, wo seine Kleider, inzwischen
getrocknet in der Wärme des Kaminfeuers, über einem Stuhl hingen, und heizte
den Herd in der Küche an. Dann eilte sie hinaus, um die Tiere zu füttern. In
der alten Scheune, deren Tür offen stand und im Wind schlug, hörte sie ein
Pferd wiehern und fand einen fremden, noch aufgezäumten Schimmel, der sie
voller Hoffnung auf Wasser und Hafer anblickte. Sie nahm ihm Sattel und
Zaumzeug ab, fütterte und tränkte ihn, versorgte dann ihre eigenen Tiere und
kehrte zurück ins

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