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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Männer.
    Die gaben zu, dass es eine Gemeinheit gewesen war. Aber man konnte
doch vergeben und vergessen. Frieder hatte eben einen Fehler gemacht. Jetzt
wollte er sie wieder zurückhaben, also war doch alles in schönster Ordnung –
oder etwa nicht?
    Â»Er braucht mich, um den Hof in Schuss zu halten, während er
betrunken in einer Ecke liegt«, hielt sie ihnen vor. »Ein Arbeitstier braucht
er, dafür bin ich ihm gut genug. Hat er denn keine Pflichten mir gegenüber?«
    Der Pfarrer beharrte auf der Meinung, Frieder hätte das Seine getan,
um die Ehe wiederaufzunehmen, jetzt müsste auch Neele guten Willen zeigen. Und
der Dorfschulze fügte hinzu, sie sollte vernünftig sein, sonst müsse man dem
Skandal auf anderem Wege ein Ende machen und ihr das Zimmer im Dorfkrug
verweigern, dann bleibe ihr nichts anderes übrig, als wieder in den Moorhof zu ziehen.
    Neele lag es bereits auf der Zunge, ihnen alles über ihre Scheidung
und Wiederverheiratung zu erzählen, aber etwas hinderte sie daran, als
flüsterte ihr eine Stimme zu, sie möge schweigen. Sie warf den Kopf zurück und
sagte mit kalter Stimme, wenn man unbedingt ihr Unglück wolle, so würde sie
sich fügen, aber in Norderbrake sollte sie von nun an kein Mensch mehr sehen.
Hoch erhobenen Hauptes verließ sie das Zimmer und bat den Wirt, ihre beiden
Koffer auf den Moorhof schaffen zu lassen. Ihre Tasche über der Schulter, ging
sie hinaus, grußlos, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
    Schweigend saß sie auf dem Wagen, den der alte Knecht lenkte, und
ebenso schweigend stieg sie, beim Moorhof angekommen, ab, ergriff ihre Koffer
und trug sie zum Haus. Als das Rollen der Räder wieder verklungen war, stand
Neele allein im Hof und lauschte in die Stille, die nur das schläfrige Gackern
der in der Hitze dösenden Hühner unterbrach. Von Frieder war nichts zu sehen.
Sie nahm ihre Koffer auf und trug sie in das Zimmer, in dem man ihren Vater
aufgebahrt und ihre Mutter sich eine Kugel in den Kopf geschossen hatte. Es überraschte
sie, das Spukzimmer gereinigt und mit geöffneten Fenstern vorzufinden. Sie
schob den Riegel vor die Tür, schloss die Fensterläden und ließ sich im Halbdunkel
auf der nackten Bettmatratze nieder. Eine solche Wut und Verzweiflung tobte in
ihr, dass sie beschloss, sich in diesem Zimmer zu verbarrikadieren, bis der
Fluch wirkte. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, lag sie in Paulas elegantem
Seidenkleid auf dem Bett und brütete darüber, auf welche Weise es geschehen
könnte. Vielleicht stürzte Frieder im Suff die Treppe hinunter, oder ihm
entglitt beim Holzhacken die Axt und fuhr ihm ins Bein, sodass er verblutete.
Vielleicht biss ihn eine der zahlreichen Kreuzottern, die in der Sommerhitze
herumkrochen, oder im zusammengesunkenen Ostflügel fiel ihm ein Balken auf den
Kopf.
    Eine ganze Weile lag sie so da, dann kehrte sie weit genug in die
Wirklichkeit zurück, um sich zu erinnern, dass sie essen und trinken musste.
Sie holte zwei Milchkannen Wasser vom Brunnen und trug sie in ihr Zimmer, dann
ging sie hinaus, um nachzusehen, ob die Tiere gefüttert waren. Frieder hatte es
offensichtlich vergessen, denn die Stute blickte trübselig in eine
schmutzverkrustete Tränke und eine leere Raufe. Neele brachte dem Tier Wasser
und Futter aus der halb leeren Haferkammer, dann kümmerte sie sich um die
ebenfalls unversorgten Hühner und sammelte die Eier ein. Im Vorratsschrank in
der Küche fanden sich gerade nur ein Ranken Brot, eine verdorbene Speckseite
und ein Glas mit eingelegten Gurken, dafür eine ganze Anzahl leerer
Schnapsflaschen. Neele aß das Brot und die Gurken und kehrte in ihr Zimmer
zurück.
    Zehn Minuten später musste sie es wieder verlassen, denn eine
gewaltige Übelkeit stülpte ihr den Magen um. Sie konnte kaum aufhören, sich zu
erbrechen. Waren die Gurken etwa auch schon verdorben gewesen? Oder hatte diese
Übelkeit einen Grund, auf den sie noch kaum zu hoffen wagte?
    Sie faltete die Hände über ihrem flachen Leib. Lieber Gott, betete
sie, lass es geschehen, dass ich ein Kind bekomme, dass Ameya nicht ganz von
mir gegangen ist. So bitter ihre Gefühle bei ihrer ersten Schwangerschaft gewesen
waren, so selig waren sie jetzt, wo sie noch nicht einmal Gewissheit hatte.
Umso sorgfältiger musste sie sich schützen. Auf keinen Fall durfte Frieder ihr
jetzt wehtun, nicht einmal berühren durfte er sie.

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