Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
Vom Netzwerk:
Haus.
    Ameya, der den nassen Herbsttag sichtlich als unerträglich kalt
empfand, kauerte nahe am prasselnden Feuerloch des Küchenherds. Sie bemerkte
erst jetzt, dass er europäische Reisekleidung trug. Er hatte jedoch eine
gefaltete Schärpe zwischen Hemd und Jackett um den Leib geschlungen, und obwohl
sie ihn nicht sehen konnte, wusste sie doch, dass er den Kris im Vorraum gefunden
und an seinen angestammten Platz gesteckt hatte.
    Während sie die Kurbel der Kaffeemühle drehte und Brot auf der
heißen Herdplatte röstete, sah sie, dass Gryff und Fang den Gast in Augenschein
zu nehmen begannen. Da man in Java, wie in allen mohammedanischen Ländern,
keine Hunde als Haustiere hielt, beobachtete auch Ameya die beiden großen,
ungeschlachten Hunde mit Misstrauen. Er hielt krampfhaft still, als sie sich
näherten und ihn beschnüffelten, und war sichtlich erleichtert, als sie sich
wieder zurückzogen.
    Neele lächelte ihm zu. »Sie werden dir nichts antun. Sie sehen, dass
ich dich willkommen heiße, und werden dasselbe tun. Aber wir haben so einsam
gelebt und inmitten von so viel Feindseligkeit, dass ich die beiden brauchte,
um mir unerwünschte Besucher vom Leib zu halten.« Sie
brühte den Kaffee auf, bestrich die heißen Brotscheiben mit Butter und stellte
zwei Gläschen von dem starken Beerenschnaps auf den Tisch. »Trink!«, befahl sie. »Das hilft, falls du dich gestern erkältet
hast.«
    Er gehorchte und hustete, als der scharfe, hochprozentige Schnaps
durch seine Kehle rann. »Oh!«, stieß er hervor. »Und
ich dachte immer, Genever wäre teuflisch stark!«
    Erst während des Frühstücks, als sie ihn bei dieser alltäglichen
Beschäftigung beobachtete, gelangte Neele zu der Gewissheit, dass ihr Mann
tatsächlich auf unerklärliche Weise zu ihr zurückgekehrt war. Sie wartete
jedoch, bis er satt und erfrischt war, ehe sie ihn fragte: »Wie ist das
möglich? Ich war vollkommen überzeugt, dass du tot warst. Alle waren davon
überzeugt, obwohl wir deine Leiche nicht fanden. Wir dachten, ein Tiger hätte
sie davongeschleppt.«
    Â»Ich war auch so gut wie tot«, antwortete er. »Als ich den Pfeil im
Herzen spürte, schloss ich mit meinem Leben ab. Mir wurde schwarz vor Augen,
ich fühlte, wie mir das Blut stockte, und dann weiß ich nichts mehr. Aufgewacht
bin ich eine Woche später in der Behausung eines Suduk. Die Bäuerin, die uns im
Jagdhaus bediente, hatte mich zu ihm gebracht. Sie trug mich weg, während du in
den Wald geflüchtet bist und Hagedorn dir nachrannte. Das erzählte sie mir
später, ich selber habe keine Erinnerung daran. Stattdessen erinnere ich mich
an seltsame Dinge, die mit mir geschahen von dem Augenblick an, da ich zu
sterben meinte, bis zu der Stunde meines Erwachens. Ich habe sie alle im Kopf,
aber ich kann sie nicht in Worte fassen. Es waren Dinge der jenseitigen Welt.
Wie es der Suduk zustande gebracht hat, mich von der Schwelle des Todes zurückzuholen,
weiß ich auch nicht. Er war ein guter Schamane, ganz anders als der Schurke,
der dich belästigt hat.«
    Ameya machte eine Pause, und Neele merkte, wie erschöpft er war. Die
lange Reise und das völlig veränderte Klima forderten ihren Tribut. Nur langsam
sprach er weiter. »Es dauerte bis in den späten August hinein, ehe ich so weit
war, dass ich seine Behausung im Urwald verlassen konnte. Ich bat die Frau, die
mir das Leben gerettet hatte, Dr. Bessemer zu verständigen, denn ich wagte noch
nicht, die Strapazen des Weges auf mich zu nehmen, und hatte auch Angst, den
Meuchelmördern erneut in die Arme zu laufen.«
    Â»Hast du sie gesehen?«, unterbrach sie ihn.
»Konntest du Richard Hagedorn bei Gericht anzeigen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts und niemand gesehen. Ich
war vollkommen überrascht, als mich der Pfeil traf. Bis zu dem Augenblick war
ich mir keiner Gefahr bewusst gewesen.« Mit einem
schwachen Lächeln fügte er hinzu: »Du siehst, ich bin durch das Beamtenleben
verweichlicht! Ein an den Dschungel gewöhnter Javaner hätte die beiden Männer
gehört und gesehen, ehe sie auch nur Zeit gehabt hätten, von ihren Pferden zu
steigen. Ich konnte Dr. Bessemer nur wiedergeben, was die Haushälterin mir über
die Ereignisse erzählt hatte, und so durfte er Hagedorn nicht vor Gericht
bringen, weil nur eine einfache javanische Bäuerin

Weitere Kostenlose Bücher