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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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Seitenhieb auf seinen Vater offensichtlich nicht verkneifen: »Außerdem hast du doch auch noch Gäste eingeladen!«
    Der Hieb verfehlte seine Wirkung nicht. Margret sah ihren Mann sofort fragend an. Änderungen der Planungen und Gästelisten für diese wichtige Feier waren ihr von jeher ein Graus. Julie wusste dies aus den vorherigen Jahren und amüsierte sich bereits im Stillen über jenen offensichtlichen Affront ihres Onkels. Dieser schenkte seinem Sohn einen grollenden Blick, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und zuckte dann mit den Achseln. »Na, dieser Leevken ... wenn er doch nun schon mal in Europa ist – es wäre unhöflich gewesen, ihn nicht einzuladen. Er kommt zum Dinner, und ich werde ihn auch zum Silvesterball bitten.«
    Margret seufzte und tupfte sich mit einer Serviette geziert die Mundwinkel ab. »Hoffentlich lässt er wenigstens diesen Neger im Hotel, der verschreckt mir ja die anderen Gäste«, sagte sie bissig. Jedes ihrer Worte war ernst gemeint.
    Julie hatte das Gespräch am Tisch aufmerksam verfolgt. Leevken? War das nicht der Mann, mit dem sie bei ihrer Ankunft zusammengestoßen war?
    Die Tage vor dem Jahreswechsel waren im Hause Vandenberg von gesellschaftlichen Verpflichtungen geprägt. Die Familie schien Julie darüber vollkommen zu vergessen, was sie allerdings nicht besonders betrübte, sie war daran gewöhnt, dass sich im Hause ihres Onkels niemand für sie interessierte. Still beobachtete sie die Vorbereitungen für das Dinner am Abend. Mit dieser Einladung an Geschäftsfreunde und Bekannte leiteten die Vandenbergs jedes Jahr am 23. Dezember die Feierlichkeiten zum Jahresende ein. Neugierig erwartete Julie die Ankunft jenes Hendriks. Laut Wims Beschreibungen handelte es sich bei seinem Schulfreund um einen interessanten jungen Mann. Seine Augen leuchteten jedes Mal, wenn er von diesem Hendrik sprach. Der junge Mann besuchte dasselbe Internat wie Wim und war offenbar so etwas wie sein Vorbild. Er schrieb gelegentlich für Amsterdamer Zeitungen, eine Arbeit, die auch Wim begeisterte – sehr zum Missfallen ihres Onkels, der mehr als einmal die Erwartung geäußert hatte, sein Sohn solle in seine unternehmerischen Fußstapfen treten.
    Hendrik traf am Vormittag ein und entpuppte sich in der Tat als konzilianter Gesprächspartner. Schon während des Mittagessens erntete Julie von Margret einen bösen Blick und eine spitze Bemerkung, als sie es wagte, mit Hendrik über Frauenrechte zu sprechen. »Lehrt man euch das jetzt im Internat, Juliette?«, fragte sie bissig. Julie zog es vor, nicht zu antworten, freute sich im Stillen jetzt aber auf das Dinner. Mit Hendrik würde der Abend sicherlich unterhaltsam werden. Und dieser Leevken mit seiner exotischen Aura, würde sicher ebenfalls eine spannende Ergänzung zu dieser sonst recht biederen Zusammenkunft sein.
    Die erste Stunde des Dinners verlief allerdings gewohnt langweilig. Onkel Wilhelm hatte Hendrik und Wim vermutlich angewiesen, sich bei Tisch zurückzuhalten, zumindest beschränkte Hendrik sich auf höfliche Konversation, und auch Wim machte keine Anstalten, die Themen aufzulockern. Julie ließ gelangweilt den Blick über die Runde am Tisch gleiten, bis er am anderen Ende, dicht neben dem Platz ihres Onkels, bei Leevken hängenblieb. Sein Charisma hatte sie bei der Begrüßung einige Stunden zuvor augenblicklich gefesselt, stach doch sein dunkler Teint deutlich zwischen den vornehm blassen Gesichtern der anderen Gäste hervor. Außerdem war sie fasziniert von seinem Auftreten – sie hatte ihn verstohlen beobachtet, während er die anderen Gäste souverän begrüßt hatte. Dabei war Onkel Wilhelm ihm nicht von der Seite gewichen. Leevken schien irgendwie wichtig zu sein, auch die anderen Gäste bedachten ihn mit aufmerksamer Neugier. Er war so anders als die anderen farblosen, ältlichen Gäste. Als hätte er Julies Augen auf sich gespürt, hob er nun den Blick und schaute sie direkt an. Er bedachte sie mit einem leichten Nicken, wobei er sein Glas hob. Julies Herz machte einen stolpernden Sprung. Dann besann sie sich auf ihre guten Manieren – es gehörte sich nicht, einen Mann so anzustarren. Schnell wandte sie den Blick ab und versuchte, sich auf die Gespräche um sie herum zu konzentrieren.
    Als sich die Gesellschaft nach dem Essen in den bequemeren Salon zurückzog, nahm Leevken in einem der Sessel Platz und ließ sich ein Getränk reichen. Hendrik und Wim gesellten sich zu ihm an den Tisch.
    Hendriks journalistischer

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