Im Land der Orangenbluten
wenn er ... wenn er ganz woanders hingefahren ist, dann finden wir ihn nie!«
Julie legte ihre Stirn an Jeans Schulter und schluchzte.
Kiri kam aus Richtung des Sklavendorfs angeeilt, so schnell es ihr das Baby auf dem Rücken erlaubte.
»Misi!« Atemlos kam sie auf der Veranda zum Stehen.
»Im Dorf sagt man, dass Masra Pieter heute Morgen hier war. Er hat eine Frau mitgenommen für die Kinder.«
Julie war ganz aufgeregt. »Weiß jemand, wo er hinwollte?«
Kiri schüttelte den Kopf. »Nein. Aber einer der Männer kannte den Schwarzen, der bei Masra Pieter war. Außerdem hatte er noch einen anderen Mann im Boot. Einen Buschneger, sagen sie im Dorf.«
»Buschneger?«
Kiri nickte.
Jean lief unruhig auf der Veranda hin und her. Dann blieb er ruckartig stehen. »Ich denke, er will sich mit den Kindern irgendwo im Hinterland verstecken, vielleicht will er dich damit erpressen. Zuzutrauen ist ihm das.«
Julie schluckte. »Und was machen wir jetzt?«
»Entweder warten wir, bis er sich meldet, oder wir suchen ihn.«
»Bis er sich meldet? Das ist nicht möglich! Das könnte Wochen dauern. Und wer weiß, was er in der Zeit mit den Jungen anstellt.« Allein der Gedanke weckte Panik in ihr.
Jean nickte. »Dann müssen wir sie suchen«, sagte er entschlossen.
»Nur wo?« Julie starrte zum Fluss.
Kiri wurde plötzlich unruhig. »Misi, Dany weiß bestimmt, wo man sie suchen muss!«
»Gute Idee, Kiri, aber den müssen wir ja auch erst einmal finden.«
Kiri wischte den Einwand mit einer Handbewegung beiseite. »Misi, das sollte kein Problem sein. Die Arbeitssklaven ... ich meine, die Männer, die ...«
Julie wurde bewusst, dass Kiri gerade im Begriff war, etwas auszuplaudern, was Sklaven eigentlich nie und nimmer gegenüber ihrem Masra zugaben: Die Sklaven verließen heimlich die Plantage. Julie wusste, was es für Kiri bedeuten musste, dies anzudeuten, und sie war ihrer Sklavin dankbar für die Idee. Nie und nimmer würde sie diese Information gegen sie verwenden.
»Hol mir diese Männer, sofort!« Kiri zögerte. »Kiri, sag ihnen, dass ihnen nichts passieren wird. Im Gegenteil!«
Kiri eilte los. Wenig später kam sie mit vier Arbeitssklaven wieder. Verlegen senkten sie die Blicke vor Julie. Der aber lag nichts ferner als eine Maßregelung.
»Es wird euch nichts geschehen! Es ist mir egal, was ihr sonst gemacht habt, wichtig ist nur, dass ihr uns zu dem Buschnegerdorf bringt, wo Dany wohnt. Bitte!«
Der flehende Ton in Julies Stimme verfehlte seine Wirkung bei den Männern nicht. Sie sahen sich kurz an, zuckten mit den Achseln und nickten dann.
Julie wollte sofort loslaufen, doch Jean hielt sie zurück. »Wir müssen etwas Proviant mitnehmen, wir haben alle seit gestern nichts mehr gegessen. Und für Kapitän Parono sollten wir auch sorgen. Außerdem ... habt ihr Waffen auf der Plantage?«
Julie sah ihn verwundert an. »Ja, die Aufseher haben welche.«
»Gut, die werden wir vielleicht brauchen.«
Amru, die ihren Arm um die Schultern des Hausmädchens gelegt hatte, schob dieses nun ins Haus. »Ich kümmere mich um den Proviant.« Noch einmal drehte sie sich zu Julie um. »Misi, wenn Sie erlauben, bleibe ich hier auf der Plantage. Falls Masra Pieter doch zurückkehrt ... die Leute aus dem Dorf werden mir dann helfen ...«
»Danke, Amru.« Julie war gerührt über die Welle von Hilfsbereitschaft, die ihr entgegenschlug.
Zwei Stunden später waren sie wieder auf dem Fluss unterwegs.
Julie stand nervös an Deck und spähte zum Ufer, als könne sie dort eine Spur von Pieter und den Kindern entdecken. Natürlich sah sie nichts dergleichen.
Es dämmerte schon, als die Sklavenmänner anzeigten, das Boot zu stoppen. Parono setzte gleich den Anker. Sofort steuerten aus dem Dickicht am Ufer kleine Boote auf sie zu.
»Misi, das sind Männer von Danys Stamm!« Kiri war sichtlich aufgeregt. Julie wusste, dass Kiri Dany nicht mehr gesehen hatte, seit sie in die Stadt gereist waren. Nicht, seit Karinis Geburt.
Die Buschneger begrüßten zuerst die schwarzen Sklaven auf dem Schiff, die Weißen beäugten sie mit misstrauischen Blicken. Es kam vermutlich nicht oft vor, dass Weiße sich hierher verirrten und auch noch darum baten, ins Dorf gebracht zu werden, wie Jean es gerade tat.
Die Buschneger diskutierten kurz untereinander, zuckten dann mit den Achseln und winkten die kleine Reisegesellschaft zu den Booten. Julie kletterte behände über die Reling von Paronos Schiff und landete wohlbehalten in einem der kleinen
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