Im Land der Orangenbluten
letzten Monate um Henry gekümmert wie um ein eigenes Kind. Wenn ihm jetzt etwas passiert, das würde ich mir nie verzeihen!«
»Ich komme auch mit, Misi.« Amru tauchte hinter Kiri auf, ihr Gesicht drückte ebenfalls tiefste Besorgnis aus.
»Na gut.« Julie spürte, dass eine Diskussion sinnlos war, zudem verlor sie dadurch nur wertvolle Zeit. Sie machte sich mit den beiden Sklavinnen auf in Richtung Hafen.
Der Morgen graute bereits, als sie dort ankamen. Jean kam ihnen am Kai entgegengelaufen. Verwundert schaute er kurz auf Kiri und Amru, dann berichtete er, was er herausgefunden hatte. »Er hat ein Boot genommen – flussaufwärts, so viel habe ich erfahren können. Ein paar der Matrosen haben ihn auf ihrem Rückweg zu ihren Schiffen vor ein paar Stunden gesehen. Es war ein Schwarzer bei ihm und zwei Kinder, sagen sie.«
»Ob er zur Plantage will?« Julie sah Jean fragend an.
Jean zuckte nur mit den Achseln. »Kann sein. Vielleicht muss er da noch was holen oder so. Dableiben wird er aber nicht, so dumm ist er nicht.«
Julie verging fast vor Sorge um die beiden Kinder. »Was will er nur? Warum hat er die Kinder mitgenommen?«
Auch in Jeans Gesicht spiegelte sich tiefe Sorge. »Ich sage es nicht gern, aber der Kerl ist verrückt!«
Julie wusste, dass Jean recht hatte. »Wir müssen ihm folgen, wir brauchen ein Schiff!«, rief sie, während sie sich suchend am Kai umsah. Aber noch war alles ruhig, und selbst von den kleinen Ruderbooten, die sich dort tagsüber tummelten, lag keines vertäut am Ufer.
»Ich weiß vielleicht was ...«, murmelte Julie und rannte los. Jean blickte ihr verdutzt nach, setzte sich dann aber ebenfalls in Bewegung. Die beiden Sklavinnen blieben überrascht am Kai zurück.
Es dauerte eine Weile, bis sie an der hintersten Anlegestelle das Boot fand, das Erika nach Batavia gebracht hatte. Julie atmete auf. Sie wusste, dass es ein Segler war. Mit einem Segler kam man schneller den Fluss hinauf als mit einem Ruderboot, zudem war man unabhängig von Ebbe und Flut.
Julie trommelte gegen das Holz des Schiffes. »Kapitän Parono? Kapitän?«, rief sie atemlos.
Es dauerte eine schier endlose Weile, bis sich an Deck eine Luke öffnete und ein verschlafener Mann eine Stiege emporkam. »Was zur Hölle ...?« Verdutzt schaute er Julie an. »Mevrouw, was machen Sie hier? Ich kenne Sie doch irgendwoher!«
»Ja, Sie haben einmal ... egal, hören Sie, wir brauchen ganz dringend ein Schiff, das uns den Fluss hinaufbringt. Wir zahlen Ihnen jeden Preis.« Julie sah Kapitän Parono flehend an.
»Mevrouw, ich kann nicht, ich muss morgen ...«
Jetzt schob Jean sich nach vorn und ergriff atemlos das Wort: »Hören Sie: Egal, was Sie morgen fahren, wir bezahlen das Doppelte ... nein, das Dreifache. Hauptsache, Sie fahren uns den Fluss hinauf!«
»Das Dreifache?« Kapitän Parono kratzte sich kurz am Kinn. »Wirklich?«
»Ja, das Dreifache«, pflichtete Julie bei.
Parono lächelte zufrieden. »Bitte schön ... Kommen Sie an Bord, mein Schiff gehört Ihnen.« Er eilte sich, den Steg auszuklappen.
Eine gute halbe Stunde später hatten sie Amru, Kiri und Karini eingesammelt und waren bereits auf dem Fluss unterwegs in Richtung Rozenburg.
Sie erreichten die Plantage am Mittag. Natürlich konnte ein Boot dieser Größe dort nicht anlegen, also läutete Parono mehrmals eine kleine Glocke an Bord. Die Sklaven der Plantage kamen sofort herbeigeeilt und ruderten kleine Korjale zum Schiff, um die Passagiere überzusetzen.
Julie bestürmte die Männer mit Fragen. Diese zuckten jedoch nur mit den Achseln. »Keine Ahnung, Misi, ob Masra Pieter da ist.«
Kaum am Ufer angekommen, stürmten Julie und Amru mit gerafften Röcken zum Plantagenhaus. Jean rief ihr nach: »Warte, Julie, so warte doch!«
Julie ließ sich aber nicht aufhalten. Fluchend setzte Jean den Frauen nach.
Das Plantagenhaus schien verlassen, nur eines der Hausmädchen stand ob des plötzlichen Überfalls stocksteif im Flur.
»Wo ist der Masra? Sprich!« Julie packte die Frau am Arm und schüttelte sie.
»Misi ... Masra Pieter«, stammelte die Kleine, »Masra Pieter ist doch ... ist er nicht in der Stadt?«
Amru befreite das Mädchen aus Julies Händen. Sie sprach in ruhigem Ton zu ihr: »War er heute in den frühen Morgenstunden noch einmal hier? Fehlt irgendetwas? Hat er Gepäck mitgenommen?«
Das Mädchen schüttelte nur den Kopf.
Jean, der in der Tür gestanden hatte, drehte sich zum Fluss um. »Wo ist der Mistkerl nur hin?«
»O Jean,
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