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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Nachmittag in Cairns eintreffen. Man hält die Stadt aus, weil hier ein Wunder liegt, nein, ein Weltwunder. Neben der Stadt. Im Ort selbst wohnen etwa 100 000 Strafgefangene, die als freie Staatsbürger das Jahr über den viereckigen Beton verkraften und im Sommer zudem die 42 Grad im Schatten. Aber vom Wunder, das sie hier verkaufen, können sie leben. Bestens. Touristen fluten. Wer hier vorbeikommt, stirbt hinterher wunschloser. Er hat »geschaut«, er weiß jetzt, was an Schönheit, an Schönem auf Erden möglich ist.
    Im Visitors-Center liegt aus, was sie sonst noch an Sehenswürdigkeiten anbieten. Auffällig, dass hier vor allem Frauen über fünfzig arbeiten. Diese Altersgruppe scheint mir die freundlichste von allen. In Cairns wie in Pirmasens wie in Paris. Sie haben ihre Illusionen schon hinter sich, haben schon akzeptiert, dass sie nicht Wirklichkeit wurden. Keine Träume peitschen sie mehr, sie sind »einverstanden«. Das macht sie so umgänglich.
    Ein Prospekt preist einen Aboriginal Cultural Park . Auf den Cover sieht man sechs angestrengt grinsende Indigene. Drei Seiten weiter ein Foto, das ein (weißes) Paar und einen (devoten) Schwarzen zeigt, der ihnen »seine reiche Kultur« erklärt. Nach dem Zoobesuch bei den »natives« schlägt das Reisebüro einen Besuch im Boomerang-Restaurant vor. Bevor es weitergeht in die Native Retail Gallery . Man möchte winseln, wenn man zusehen muss, wie schamlos die einen vorführen und wie schamlos die anderen sich vorführen lassen.
    Am nächsten Tag mit einem Zockelzug nach Karunda, landeinwärts, 330 Meter höher gelegen. Kurvig und bedächtig legt die Lokomotive die 35 Kilometer in zwei Stunden zurück. Brav und durchgehend family oriented . Aber ich liebe Züge und so viele haben sie hier nicht auf dem Kontinent. Zudem gibt es etwas zu lachen. Denn in verschiedenen Sprachen werden wir beim Einsteigen instruiert. Sogar auf Rutschen wird verwiesen für den Fall, dass wir bei Schrittgeschwindigkeit aus der Kurve fliegen. Wer aussteigt, muss es »mit dem Rücken voraus« tun, um sich »beidhändig an den seitlichen Reelings festhalten« zu können. Und natürlich, man bedenke den tosenden Gegenwind, »keinen Körperteil aus dem Wagen halten!«, keinen Kopf, keine Fingerspitze.
    Warum tut Australien das? Warum halten sie erwachsene Reisende für Debile dritten Grades? Ich kann nur vermuten. Vielleicht hat es mit ihrer Geschichte zu tun, ihrer Vergangenheit. Das Leben, das Überleben auf den über sieben Millionen Quadratkilometern war oft extrem fordernd, grausam und 24 Stunden pro Tag höchst ungemütlich. Sophia Loren wurde einst gefragt, warum sie, die Superreiche, Steuern hinterzogen habe. Vollkommen logisch antwortete sie: »Ich war als Kind arm, und ich hatte mir geschworen, nie wieder arm zu sein.« Denken die Aussies ähnlich? Wollen sie nie wieder zurück auf die Schlachtfelder, nie wieder einer Gefahr begegnen, auf immer rundum behütet werden?
    Immerhin kommt über den Bordlautsprecher doch noch eine gute Nachricht. Am sechsten Tunnel fand 1973 ein Überfall statt. Gangster warteten im Dunkeln auf einen großen Sack Gehälter, der hier vorbeikommen sollte. Happy Ending, die Raubritter wurden bis heute nicht gefasst. Ansonsten keine News aus Karunda. Jeder Meter Kommerz, überall original aboriginal art , genug Boutiquen, um weltweit ganze Regimenter mit Bumerangs auszurüsten. Und in der Fitzpatrick Tavern ist der Verkauf von Alkohol an Taxifahrer untersagt. Damit sie nicht als Feuerwasser-Spediteure die Flaschen an Minderjährige liefern. An alle anderen, vor allem an schwarze Volljährige, darf verkauft werden. Nicht per 6-Pack, nein, per 24-Pack. Der Wirt ist Weißer und jeder besoffene Aborigine ist ein guter Aborigine.
    Möglicherweise gibt es in diesem Land kein Wort, das öfter und inniger ausgesprochen wird als Bier. Vor Tagen kam im Radio ein Bericht über die einschlägige Lobby, die jeden Politiker das Fürchten lehrt. Wer sich mit ihr anlegt, muss um seine körperliche Unversehrtheit fürchten. Die Reise wird zeigen, dass Reformen – um die Biersucht zu drosseln – am massiven Widerstand der Bierbraukönige scheitern. Auf dem Klo des Kurunda-Hotels hängt ein Poster mit den zehn Gründen, warum ein Bier besser ist als eine Frau. Echt Macho, aber auch ergötzlich, Auszüge: Bier

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