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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Last fallen werde. Bin in Bombenform, tief geschlafen, vollkommen rauschlos und im Vollbesitz meiner kognitiven Fähigkeiten verlasse ich das Riviera. Der Tag strahlt, draußen auf dem Weg zu einem Frühstückslokal treffe ich Jesse, einen pensionierten Eisenbahner und heute »preacher man«, der gerade Waschzettel vor die Haustüren legt. Mit der groß gedruckten Frage: »Könnte Jesus Ministerpräsident von Australien werden?« Die Antwort versteht sich von selbst, sie wurde gleich mitgeliefert: »Natürlich nicht, denn Jesus ist nicht korrupt genug für politische Machenschaften.« Ich schlage Jesse vor, den Satz neu zu formulieren. So wie er dasteht, könnte man meinen, dass Jesus korrupt sei, aber eben nicht korrupt genug. Das leuchtet dem fröhlich gelaunten 72-Jährigen ein, er meint aber, kein Katholik in Queensland käme je auf die Idee, dass »Jesus käuflich wäre«.
    Auch das ist angenehm in diesem Land. Der religiöse Furor hält sich in Grenzen. Kein Geifer, siehe USA , überschwemmt die Bevölkerung, kaum Hinweise in der Presse, kaum Radiosendungen mit entfesselten Gottesmännern, die mit Feuersbrunst nach den Ungläubigen ausholen. Wer glauben will, soll glauben. Und wer nicht glauben will, darf nicht glauben. Himmlisch.
    Ich komme an der Church-Pharmacy vorbei, sie befindet sich in einer ehemaligen Kirche. Ich höre, dass sie wegen fehlender Gläubiger geschlossen wurde. Das lässt nur einen Rückschluss zu: Der Mensch des 21. Jahrhunderts misstraut den Weissagungen aus dem Jenseits, den Versprechen, den Tröstungen. Er geht heute lieber in die Apotheke und holt sich dort ein (irdisches) Trostpflaster, um über die Runden zu kommen.
    Ich laufe einer Gruppe gesetzter Damen über den Weg, alle mit mächtig roten Hüten. Sie erzählen, dass sie (und Hunderte andere) zum »giggle weekend«, zum Kicher-Wochenende, hierher gekommen sind. Um »fun, frivolity and friendship« zu predigen. Solche Predigten hört man gern.
    Und noch etwas, auch Superbes. Diesen Proleten-Patriotismus gibt es nicht. Keine Flaggen sieht man aus Wohnzimmerfenstern wehen. Die 22 Millionen mögen ihr Land, ohne Zweifel, fühlen sich australisch und unverwechselbar. Aber dieser ätzende Heimatdusel findet nicht statt. Ihre Begabung zur Ironie hindert sie daran, ihre Lust, über sich selbst zu witzeln.
    Die Stadtbibliothek hat bald offen, ich darf mich setzen, die Steckdose anzapfen, Wi-Fi benutzen, schreiben. Alle hilfsbereit und auskunftsfreudig. Sollte je einer über Bundaberg herziehen, ich werde ihm sofort widersprechen. Um 15 Uhr gehe ich zum Busbahnhof, dort befindet sich der einzige Grund, warum mich Joey an dieser Stelle abgeladen hat. Hier gibt es wieder Greyhound-Busse und von hier führt die Strecke weiter nach Norden.
    Ich werde den Ort und seine 50 000 Einwohner nicht vergessen, und wäre es nur wegen dieser einen Szene, sie ist da, plötzlich unter einer kalten, heißen Sonne: Ein alter Mann auf Krücken überquert den leeren Parkplatz des Bahnhofs. Schleichend, seine Beine wackeln, mittendrin bleibt er stehen, alles wackelt jetzt, vibriert, der Torso, die vier Gliedmaßen, das Becken. Als zuckte Starkstrom hindurch, von Kopf bis Fuß. Ich laufe auf ihn zu, weil Gefahr besteht, dass der ganze Mensch umfällt, so mitgenommen von den Zuckungen. Halte ihn am rechten Oberarm, am Rücken, frage, ob er sich setzen wolle. Nein, sagt er, denn dann müsse er brüllen vor Schmerzen. Frage ihn, ob ich einen Krankenwagen rufen soll. Wieder nein, sagt, dass es gestern noch funktionierte, also werde es heute auch funktionieren. Mit »it« meint er wohl den Leib, den elenden. Nach einigen Minuten werden die Krämpfe langsamer, der Mann zieht weiter, schlenkernd, schlurfend, hin zum Ausgang. Ich starre hinter ihm her, rede mir ein, dass dieser Gang über den Asphalt als Beweis dient, als sein Beweis. Dass er noch am Leben ist. Also muss er den Weg schaffen, ohne Hilfe.

Um halb vier mit dem Bus raus aus Bundaberg, nur sieben Passagiere. Mein Versuch, Platz A1 zu bekommen, den Fensterplatz ganz vorne (er garantiert die beste Aussicht), scheitert. »For safety reasons.« Meine Frage, wo hier die Sicherheit bedroht sei, wird mit einem Blick beantwortet, der bestätigen soll, dass ich mental nicht in der Lage bin, die Brisanz der Lage zu erfassen. Ich spiele gern den Doofen. Damit komme ich immer

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