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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Scheißgegend, wo nichts wächst. Und plötzlich das Steuer nach links reißt, weil hier ein Laden gewachsen ist und er anhalten will, »to grab some food«. Was nur bedeuten kann, dass zehn Minuten später, wieder auf Hochtouren, der Konsum »geistiger Getränke« nochmals hochschnellt, unverzichtbar »to wash down the fucking hamburger«. Zuletzt entsorgt der Koloss alle Utensilien, die leer sind, leer wurden – Flaschen, Dosen, Tüten – durchs Fenster. Wie ein Knall faucht dann der Wind herein, erinnert wieder daran, dass wir mit Bleifuß unserem Ziel entgegenschießen – und treffen. Mit einer Kavaliersbremsung katapultiert mich Joey, der Weltrekordstrecken-Inhaber, vor den Busbahnhof von Bundaberg. Ich krieche ins Freie, bin noch immer nicht fähig, nach dem Modell seines Rennschlittens zu fragen, nicht fähig, ihm zu sagen, wie gut er rasen kann und wie froh ich bin, dass wir unverkrüppelt angekommen sind. Krieche und fasse nach den Rucksäcken, höre wieder den Drillbohrer in meinem Schädel, der mich an den Laptop erinnert, schaffe alles und winke erschöpft dem Promille-Helden hinterher, der noch irgendwas von wegen »fucking bus station« murmelt und eine halbe Sekunde später mit einem grandiosen Schlenker davon ist.
    Immerhin bewältige ich die zwei Meter zur nächsten Bank, lasse mich nieder, rauche, will wach werden. Und kann nicht, bestimmt nicht. Schräg gegenüber steht eines dieser 10 000 Backpacker-Hotels des Kontinents. Nur Asylsuchende und Verzweifelte betreten sie freiwillig. Über eine Stunde kämpfe ich mit mir, dann traue ich mich über die Straße, mich kosequent daran erinnernd, dass Linksverkehr herrscht, dass ich unbedingt zuerst nach rechts schauen muss. Der Dichter Rolf Dieter Brinkmann fällt mir noch ein, der in London tödlich unter die Räder kam, aus genau jenem Grund (sicher auch er unter dem »Einfluss eines Betäubungsmittels«). Als ich mich endlich traue, ist mir, als saugten sich die Füße in den Boden, mit jedem Schritt muss ich sie losreißen.
    Endlich angekommen, beginnt ein Scheißtag. Die Rezeption ist geschlossen, als sie wieder aufmacht, ist alles ausgebucht. Ich irre los, frage und bin unfähig, einen logischen Satz zu bilden. Gleichzeitig bin ich Schreiber, soll sagen, ich schaue mir zu, will wissen, was passiert. Nichts passiert, außer, dass ich jemanden beobachte, der mit einer Sprachstörung durch Bundaberg deliriert. Ich treffe kaum jemanden, da ich zu Fuß bin und der Rest der Menschheit im Auto vorbeifährt. Bis sich ein herzensguter Mensch erbarmt, mich glatt am Arm fasst und zu einer Straße führt, wo mehrere Motels stehen. Ich frage einen Rezeptionisten nach dem anderen und alle antworten plötzlich »no vacancy«. Möglicherweise wollen sie keine Behinderten beherbergen. Bis mir das Riviera entgegenblinkt und ich rechtzeitig das Cash herausziehe. Bargeld ist ein Wundermittel, Scheine nehmen es mit jeder Moral auf. Jetzt bekomme ich ein Zimmer, gehörig überteuert, aber ich bin zu schwach, um zu protestieren, will jetzt nichts als liegen, flach liegen. Ich stolpere in Nummer 8, perfekt, wie ein Gekreuzigter lege ich mich aufs Bett, haschischblau und gerührt von dem Gedanken, ein Zuhause gefunden zu haben. Liegen und dämmern.
    Am frühen Abend treibt es mich wieder hinaus, ein Rausch ist nur erquicklich, wenn man ihn in der Nähe anderer erfährt. Der Anblick der Normalen erscheint dann lustiger. Ich gehe die Motel Street entlang, hier ist die Küstenstadt noch hässlicher als im Zentrum. Ich finde ein Fast-Food (es gibt nur Fast-Foods) mit Stühlen auf dem Trottoir, ich rauche und blicke auf die Welt, die unglaublich geschäftig vorbeibraust. Jedes Eck in Sichtweite ist ein Unglück für den Empfindsamen. Ein paar Meter hinter mir läuft ein Fernseher, die übliche Direktübertragung aus einer Anstalt für geistig Minderbemittelte. Ich verstehe einmal mehr, warum mancher Zeitgenosse zu euphorisierenden Substanzen greift. Als Schmerzmittel gegen die Zumutungen, die eine moderne Welt für ihn bereithält. Ich schaue mir zu und sehe – umstellt von gräulicher Architektur und gräulicher Geräuschkulisse – einen Euphorisierten, der heute Morgen die Flucht auf einen anderen Planeten antrat.
    Um sechs aufwachen und sofort die Gewissheit, dass ich dem australischen Volk nicht zur

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