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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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verfügt, angeblich der ältesten im Northern Territory.
    Und nach weiteren neun Minuten kommen wir in einem der verrücktesten Wirtshäuser der südlichen Welthälfte an. Jeder Millimeter der Wände ist bedeckt, mit Pferdesattel, Socken, Stoßstangen, Teddybären, abgelaufenen Pässen, ID -Cards, Bierflaschen, Werkzeugen, Kühlerhauben, Musikinstrumenten, Geldscheinen, Geldstücken, Spielkarten, Liebesbriefen – und Nachrichten gestandener Rednecks, zwei Kostproben: »I fear no beer« oder – mit Filzschreiber auf Boxershorts gekritzelt: »Hoffentlich steckt da bald wieder ein dickes Teil drin.« Zudem – hier draußen wuchern Männerträume noch heftiger – hängen Batterien von Slips und Büstenhaltern im Raum.
    Und die Rednecks hängen an der Bar, glasig und laut oder glasig und still, Fernseher plärren, Musik plärrt, ein paar spielen Billard, alle Einsamen aus der 100 000-Quadratkilometer-Umgebung sind heute (wie gestern, wie morgen) wieder bei Lindsay vorbeigekommen. Hier hat das Alleinsein ein Ende, hier steht tonnenweise ihre Droge bereit, hier nehmen sie es mit der Ödnis auf.
    Ich gehe noch eine Runde durch die Wüstennacht. Die macht auch besoffen. Blick in den sternenhellen Himmel, irgendwo eine Straßenlampe, Blick zurück auf das rote Pufflicht der Kaschemme, die schöne Verlassenheit. Ich halte die rechte Hand ganz nah vor die Augen. Sie zittert leicht. Was sie sonst nie tut. Kann man vor Glück zittern? Aber ja.
    Ein paar Fremdenzimmer gibt es, auf jeder Tür steht ein Name, The Boss oder Mitchell Bomber oder Leichhardt . Das bekomme ich, gut so, ich schlafe gern unter dem Schutz eines Helden. Ludwig Leichhardt war ein deutscher Wissenschaftler und Abenteurer, der 1842 als 29-Jähriger nach Australien kam, um den damals noch so unbekannten Kontinent zu erkunden. Die erste Route über 5000 Kilometer überlebt er, hat kurz Zeit, den Ruhm in Empfang zu nehmen, und organisiert seinen nächsten Wahnsinn: von der Ostküste nach Perth, dem äußersten Westen. Vergeblich. Mit 35 verschwindet er von der Landkarte. Mit ihm sieben Mann und sieben Pferde. Noch immer wurde kein Hemdknopf und kein Tomahawk gefunden, um irgendetwas nachweisen zu können. Aufgespießt von den Aborigines? Verdurstet? Schlangenvergiftet? Sonnenverglüht? Ein Mysterium, bis heute.
    Bei meinem Zimmernachbarn, er liegt im Bomberzimmer, scheint alles übersichtlicher. Er schnarcht laut. Bis er mit einem heftigen Gurgeln aufwacht und ins Bad stürzt. Kotzgeräusche, lang und gewaltig. Sicher dreißig Dosen Hopfensaft. Dann wieder Schnarchen. Ansonsten ist es still in der Wüste.
    Früh raus, frühstücken und losziehen. »Entdeckt« wurde Daly Waters von einem anderen Titanen, diesmal einem Schotten, von John McDouall Stuart, der einen Weg vom tiefen Süden in den hohen Norden suchte. Und fand. (Und als 51-Jähriger sang- und klanglos in London starb.) Mai 1861 kam er hier vorbei. Ein eingezäunter Baumstumpf – keine fünfzehn Minuten Fußweg vom Pub entfernt – soll an ihn erinnern. Wer genau hinschaut, so heißt es, wird ein »S« in der Rinde entdecken. Ich schaue genau hin und sehe nichts. Später erfahre ich von Lindsay, dass man vorher bei ihm einen Kasten Bier trinken muss, um irgendwelche Zeichen ausfindig zu machen.
    Gleich daneben liegen noch ein paar Steine, die an die Telegrafenstation erinnern, die zehn Jahre nach Mister Stuarts Passage hier errichtet wurde. Und eine Plakette gibt gnadenlos ehrlich Auskunft vom faden Leben vor Ort. »Nothing happened«, nur die monotonen Morsetöne, 24 Stunden, 365 Tage. Die meisten Nachrichten so aufregend und nervenzerfetzend wie heutige SMS von Quakenbrück nach Ramsau. Und zurück. Selten kamen Pferdekarawanen vorbei, mit Nachschub, mit Post, mit Briefen. Immerhin einmal pro Jahr mit Zeitungen und Büchern. Wie »Schätze« wurden sie weitergereicht, denn »alles bereits Vorhandene war längst gelesen und wieder gelesen worden.« Mit Entzücken nimmt man den Eifer zur Kenntnis.
    Ein paar Hundert Meter weiter steht der Flughafen von Daly Waters, auch er sorgte für Sensationen. Hier landeten in den frühen 30er Jahren die ersten Quantasflüge von Brisbane nach Europa (mit weiteren 35 Zwischenstopps). Im zweiten Weltkrieg teilten sich dann amerikanische und australische Soldaten die Rollbahn. Japanische

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