Im Land der Regenbogenschlange
das nicht, warum könnt ihr nie genug bekommen?
»Wer uns Aborigines verstehen will, muss verstehen, dass wir untrennbar mit unserem Land verbunden sind. Wir sorgen dafür, dass ihm nichts geschieht, bewahren es für die nächsten Generationen.« Jeffrey redet ganz trocken, ohne Ausrufezeichen, schaut immer wieder auf die Umgebung, deren Anmut ihm stets recht gibt, sagt irgendwann den klaren Satz: »The world is not for sale«.
Er weià um seine schwache Position. Der französische Energiekonzern Areva hat bereits über zwölf Quadratkilometer auf seinem Koongarra-Gebiet geleast. Das ist »rechtens«, gemäà den permanenten Versuchen, das Grundsatz-Urteil des Mabo Case zu untergraben. Aber die Gierigen dürfen (noch) nicht ohne die Zustimmung der »traditionellen Besitzer« zu bohren beginnen. Jeffrey will die Regierung überreden, sein Gebiet in den Park einzugliedern. Damit würde es automatisch »Weltkulturerbe«, sprich, unberührbar. Deshalb blickt er mit Ungeduld auf die in Kürze stattfindenden Parlamentswahlen. Verlieren die Liberal-Konservativen, die seit zehn Jahren an der Macht sind, steigen seine Chancen. Die Labour Party gilt als offener, kompromissbereiter.
Der Junggeselle kommt in Fahrt, kichert jetzt manchmal, berichtet, dass er einst noch gehemmter war und deshalb beschloss, sich vor einen Spiegel zu stellen und die groÃen Gesten zu üben. Und Englisch zu sprechen, laut zu sprechen. Um den Mund aufzumachen, um nichts zu vernuscheln. Denn von früher Jugend an hat er begriffen, dass man sich wehren muss. Was ihm schwerfällt. Seinen Anteil Rassismus bekam er als Lehrling auf einer Farm verpasst. Die Würde des Menschen ist unfassbar, er weià es. Erreichten die Schmähungen seiner Vorgesetzten das unerträgliche MaÃ, ging er davon. Er kann nicht streiten, aber er will auch nicht alles hinnehmen.
Nora fragt nach seiner Religion. Clevere Frage, denn jetzt kommt eine Spur Wut in Mister Lees Stimme. Er erwähnt die Missionare, die in dem Gebiet nicht aufhören, der schwarzen Bevölkerung mit ihren (katholischen) Wahrheiten nachzustellen. Auch mit Hilfe schwarzer Prediger. Er ist Atheist, er glaubt weder an die Religion seiner Ahnen, das Dreaming , in der »geistige Wesen« die Welt erträumten und erschufen, noch interessieren ihn Gottessöhne, die auferstehen. Märchenstunden, nichts weiter. Sein Gott ist sein Land, die Erde, auf der geboren wurde und auf der er lebt. »Und wenn ich sterbe, bin ich tot, Amen.«
Das ist das Stichwort. Vergänglichkeit. Jeffrey hat anklingen lassen, dass er gern allein lebt. Also frage ich, ob das nicht ein bisschen riskant sei für den Letzten der Djok? Wäre Nachwuchs nicht erwünscht? Um das Erbe weiterzugeben, Koongarra? Jetzt kommt der schönste Augenblick, das Pokerface grinst, um ein Haar wäre ihm ein Lacher entkommen. Ja, das ist freilich ein heik-les Thema. Doch der Preis â Frau und Kinder und jeden Tag Familie â schien ihm bisher zu hoch, um seine Freiheit herzugeben. Aber immerhin fahre er am Wochenende nach Darwin auf Brautschau, denn auch die Freunde drängen. O.k., o.k., er hat verstanden, sagt heiter und erschöpft: »I'll see what I can do about it.«
Ich kenne den Gesichtsausdruck von Leuten, die Einsamkeit lieben, das Alleinsein, und sich nach einem Gespräch wieder dorthin zurücksehnen. Dieser Augenblick ist gekommen. Jeffrey war die letzte Stunde verwegen, hat gewiss mehr Worte ausgesprochen als die gesamte Woche davor. Wie ein Gentleman führt er uns zurück zum Wagen, winkt uns â ganz gewiss â glücklich hinterher.
Die ersten Kilometer auf dem Weg zurück reden Nora und ich kein Wort, wir genieÃen beide die Erinnerung an diesen little big man , an Mister Lee. Die Begegnung mit einem, der so anders mit der Welt umgeht als der Rest von uns, ist ein Erlebnis. Ihn ins Gedächtnis rufen in weniger gelungenen Augenblicken wird helfen, die rastlos Blöden und Vernagelten seelenruhiger zu ertragen.
Irgendwann mache ich Nora ein Zeichen, rechts in den Wald abzubiegen, ich hätte eine kleine Ãberraschung. Und da das Mädchen anscheinend nie Angst hat, fährt sie mit einem fremden Mann ins Gehölz. Bis wir eine versteckte Stelle erreichen und ich sie bitte anzuhalten. Ich blitze mit den Augen und erzähle ihr von Rik, dem leicht wahnsinnigen Esoteriker in Cracow, der mir neben drei hashish
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