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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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bisweilen sein. Doch, so erfahren wir noch, das Verlangen nach Sam sei inzwischen wieder überschaubarer geworden. Denn hier draußen funktioniert kein Mobilfunk. Aus dem Handy, aus dem Sinn, so lauten wohl die neuen Spielregeln.
    Das kann mir nur recht sein. Da sie einen Nissan-Van besitzt, frage ich die Sprunghafte, ob ich sie für morgen als Chauffeurin anheuern kann. Um mich zu jemandem zu bringen, von dem
     ich noch nicht weiß, wo er wohnt. Nora imponiert mir gleich noch mehr, denn sie fragt nicht nach, will sich nicht absichern, ist sogleich einverstanden. Ich erzähle ihr das Wenige, das ich über Jeffrey Lee erfahren habe, und sie verkündet ahnungslos – einen halben Meter von Shane entfernt –, dass sie sich auf die Begegnung mit dem Aborigine freut. Verstohlen beobachte ich den Iren, er scheint irritiert, hoffentlich verschafft ihm die menschenfreundliche Neugier der Soziologie-Studentin eine schlaflose Nacht.
    Am nächsten Morgen um sieben wieder in der Telefonkabine, ich erreiche einen Arbeitskollegen von Lee, der nur ahnt, wo sich der Gesuchte aufhalten könnte. Ich solle zur East-Alligator-Ranger-Station fahren, etwa vierzig Kilometer von Jabiru entfernt, und dort weiter fragen. Ich notiere den Straßenverlauf und wecke Nora. Ein schneller Kaffee, los.
    Gas geben kann das Mädchen auch, dazu das Blitzen in den Augen, dazu ein Hirn, das agil und reaktionsschnell im Einsatz ist. Wir erreichen die angegebene Adresse und einer der Angestellten zeichnet einen Plan für den Weg durch den Wald. Am Ende der 500 Meter befinde sich Mister Lee. Da heute sein freier Tag sei, halte er sich mit Sicherheit dort auf. Als wir ankommen, steige ich allein aus, ich will niemanden überrumpeln. Und ein kleiner Mann steht neben einem flachen Holzbau, kleiner Bauch, Hemd und Turnhose, den scheuen Blick habe ich erwartet. Ich sage zur Begrüßung, dass ich mit Staunen den Artikel über ihn gelesen habe und gerne wüsste, wie einer so nachlässig so viel Geld loslassen kann. Er lächelt, wieder scheu, weist auf einen Tisch mit einigen Hockern.
    Vögel zwitschern, wir sitzen auf einer kleinen Lichtung, ein paar Felsen leuchten im Hintergrund, der sorglos strahlende Himmel. Ich plappere von der grandiosen Welt hier und warte auf den Moment, den die Japaner »das schöne Gefühl« nennen, den Moment, in dem zwei mit sich einverstanden sind und man um ein Nächstes bitten darf. Als er da ist, frage ich ihn, ob sich »meine Freundin Nora« dazusetzen kann. »Of course, why not.« Normalerweise bin ich weniger zimperlich beim Ausfragen von Leuten, aber ich will den Schüchternen nicht verscheuchen. Das ist meine einzige Chance, heute, jetzt, um dem Geheimnis dieses Menschen näher zu kommen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich von einem weggehen musste mit leeren Händen, mit leerem Notizbuch. Weil ich den Ton nicht fand, nicht den Code, um ihn zu öffnen. Nora kommt, sie passt hierher. Die Anwesenheit einer Frau kann zur Harmonie unter Männern beitragen. Gewiss nicht immer, aber heute bestimmt. Der Hausherr schenkt Tee ein.
    Wir rauchen, die Zigarillos sind willkommen. Und irgendwann fängt der 36-Jährige zu erzählen an. Nur ab und zu ermutigt von leisen Fragen. Er ist der letzte custodian , der letzte Wächter des Koongarra-Uran-Lagers. (Es befindet sich innerhalb des Nationalparkes, gehört aber nicht dazu.) Hier ist er aufgewachsen, hier liegen verschiedene »heilige Stätten« und die Gräber seiner Eltern und Vorfahren. »Mich interessiert nicht, was die Weißen mir bieten. Es bedeutet mir nichts. Ich bin hier aufgewachsen, meine Großmutter hat mich auf ihren Schultern über das Land getragen, von ihr habe ich alle die Geschichten gehört.« Auch die Story von der gigantischen blauzüngigen Eidechse, die sich hier herumtreiben soll, auch die Legende von der Regenbogenschlange, der Urschöpferin des Kosmos. Schon seinem Vater und Großvater wurden »big cars and big houses« versprochen, aber niemand informierte ihn über die Gefahren des Minerals und welchen Schaden es anrichten kann. Auch das sei einer der Gründe, um kategorisch jeden Deal abzulehnen. »Ich arbeite hier als Ranger. Ich achte darauf, dass nichts abbrennt, erkläre Touristen Flora und Fauna, habe ein festes Einkommen, habe doch alles, was ich brauche, oder?« Er blickt uns an, als wollte er fragen: Warum kapiert ihr Weißen

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