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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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sie verstoßen. Oder die Mütter übergaben freiwillig ihre Söhne und Töchter. Aus Armut, aus Verzweiflung, aus Krankheit, aus Überdruss. Meist war das Stehlen der Kinder jedoch ein Verbrechen. Selbstverständlich wurden die Gekidnappten nicht strahlend weiß, sondern oft als Arbeitskraft (Arbeitstier?) und sexuelles Objekt geplündert und missbraucht. Und mit achtzehn »entlassen«. Viele sind an den erlittenen Traumata zerbrochen. Wie Untersuchungen belegen, kamen sie misslicher mit den Herausforderungen des Alltags zurecht als die Nicht-Entführten. Bruce Trevorrow ist nun der Erste, dessen Klage Erfolg hatte, der erste Aborigine, der – nach zehn Jahren Kampf – finanziell für das erfahrene Leid vom Staat entschädigt wird.
    Nach der Wanderschaft, zum Teil durch Sand, bin ich nicht frischer. Ich war fleißig, mein Respekt vor dem Uluru zeigt sich in meiner Neugier. Das Ächzen meines Körpers ist nichts als Ausdruck von Bewunderung. Allein das Glück, ihn zu sehen, das größere Glück, ihn anzufassen, das unbändige Glück, sich schweißgebadet an ihn zu lehnen.
    Ein paar hundert Meter entfernt steht das Cultural Center, eine Reihe flacher Gebäude, die stilvoll zur Landschaft passen. Hier verkaufen sie Krimskrams, aber auch ausgezeichnete Literatur zum Thema, einschlägige Videofilme laufen, ein Restaurant hat offen. Mit Kaffee und Muffin auf die Terrasse, das Glück hört nicht auf, ein paar Spatzen landen auf dem Tisch und wir teilen uns den Kuchen. Ich bin gerade als heiliger Francisco von Assisi unterwegs. Ich rauche, ein erschöpfter Leib kann eine Wohltat sein. Und der Uluru gehört jetzt mir. Full stop . Nach dem Frühstück zwitschern die Spatzen. Ich zwitschere auch, stumm, selig.
    An der Rezeption komme ich mit Lindsey Horton ins Gespräch, er arbeitet hier als Ranger. Ein Weißer, der ausgesprochen warm und verständig über die Aborigines spricht. Er hat jeden Tag mit ihnen zu tun, denn paritätisch verwalten Weiße und Schwarze den Nationalpark. Er erzählt von Stämmen, die erst in den 70er Jahren mit der europäischen Kultur in Berührung kamen. Wie wagt man, von ihnen zu verlangen – nachdem sie 50 000 Jahre lang ein anderes Koordinatensystem im Kopf gespeichert hatten –, sich »anzupassen«? Lindsey ist verärgert über den Mutwillen, mit dem die Mehrheit fordert, dass andere, die wenigen, sich einordnen, sich unterordnen. Er erwähnt Arbeitskollegen, die ihre Versetzung hierher als Exil betrachten und die kein Gefühl der Langeweile dazu überreden kann, sich mit der fremden Kultur und ihren Besitzern auseinanderzusetzen. Die Wüste aussitzen und abends – »every evenig«, sagt Lindsey – via Telly und Grog wegdriften.
    Zurück nach Alice Springs und umsteigen in einen anderen Greyhound. Inzwischen habe ich mit Fred Brophy telefoniert. Es ist so weit, die drei Wochen sind um, ich soll nach Mount Isa kommen und seinen Boys beim Boxen zuschauen. Das ist ein gewaltiger Umweg, denn ich muss zurück in den Norden, dann rechts rein nach Queensland, dann wieder zurück nach Alice, das macht insgesamt 30 Stunden Busfahrt, mit Warten auf Anschlussverbindungen knapp 50 Stunden. Aber versprochen ist versprochen. Und ich werde nichts bereuen. Ich werde Geschichten hören, die ich noch heute nicht fasse.
    Der erste Abschnitt geht nach Tennant Creek. Der Fahrer hat sich eine neue Schikane ausgedacht, heute ist ab 23 Uhr das Benutzen der Leseleuchten verboten, »um niemanden zu stören.« Lesen stört! Dann geht er mit der Taschenlampe durch die Reihen, checkt, ob jeder angeschnallt ist. Angeblich würde die Polizei bisweilen die Busse anhalten, um nach Bier und Drogen zu suchen, »and everybody without a safety belt«. Die Schlaf-Ecke hinten für den Beifahrer (den es nicht mehr gibt) bleibt allerdings hell. Damit man von vorne aus sehen kann, ob sich jemand gesetzwidrig dort hinlegt. Ich frage nach und lerne, dass Ausruhen ein »health hasard« wäre, ein Gesundheitsriksiko. (Da der Schla fende, sollte ein Asteroid auf uns niedergehen, herausfallen könnte. Vermute ich mal.) Ich weiß, warum ich schon vor Jahren dem Klub der Fassungslosen beigetreten bin.
    Um 2 Uhr früh in Tennant Creek, der Bus fährt weiter Richtung Darwin. Ich gehe über die Straße und läute im Eldorado Motor Inn . Der Name stimmt, ein Dorado, der

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