Im Land der Regenbogenschlange
slowenisch und soll heiÃen: Hochzeit mit Buddha , geschrieben von Zhou Weihui. Ich ziehe meine in Ljubljana gekauften Zigarillos hervor, seit Jahren will ich wissen, was das Kajenje ubija auf dem Deckel bedeutet. »Smoking kills«, erklären die beiden kichernd. Na, das Ãbliche. Ich ziehe mich diskret zurück. Und rauche. Nur jetzt ein paar Nuancen weniger glücklich. Denn ganz oben auf dem Uluru verliebt sein und von einer Frau ein Buch vorgelesen bekommen, das ist der Gipfel des Glücks.
Am nächsten Morgen um 5 Uhr 15 aufstehen, fünfzehn Minuten später fährt der Minibus ab. Gestern gebucht und schwer bezahlt. Ich will den Sonnenaufgang sehen, nein, ich will sehen, wie die aufgehende Sonne den Uluru bestrahlt. Eine japanische Familie und ich teilen uns die Sitze. Um 6 Uhr 10 kommen wir an, stockdunkel. Ich frage den Fahrer, wann die Sonne auftaucht. »Seven twenty«. Ich frage verdutzt, warum wir eine Stunde und zehn Minuten zu früh da sind. Mit Blick auf unsere verschlafenen Gesichter folgere ich messerscharf, dass wir die Zeit lieber im Bett verbracht hätten. Der Fahrer: »If you don't like it, don't book the bus.« Das ist kein guter Satz so früh, ich frage ein drittes Mal, will diesmal wissen, ob ich mich verhört habe. Nein, habe ich nicht: »This is our way to make sure we have a place to park the car.« Jetzt verstumme ich, jetzt hat man nur zwei Alternativen, morden oder einknicken. Wir befinden uns auf einem Parkplatz so groà wie die Sahara und ich weià wieder, dass geis-tige Auseinandersetzung nur stattfinden kann, wenn Geist vorhanden ist. Und doch, das Positive an der Geistlosigkeit: Man begreift sofort, wo man gelandet ist und tritt ohne Zeitverlust den Rückzug an. Sie bringt Ordnung ins eigene Hirn, sie schafft umgehend â ähnlich Durchfall oder akuter Gefahr â klare Prioritäten. Dummheit hat Vorfahrt, weltweit, auch im australischen Busch.
Um genau 7 Uhr 20 ist alles vergessen, auch die geprellte linke Ferse, die ich mir gestern beim Abstieg geholt habe. Das Wüstenlicht kommt und weckt warm und feuerrot den Uluru, flieÃt über ihn, von unten nach oben, zündet ihn an. Bilder, Farben, für die van Gogh sein zweites Ohr hergegeben hätte. Schönheit kann Kriege anzetteln und einem den Verstand rauben, ja die Sorgen, die Gedanken. Oder Weichlinge zum Heulen nötigen. Und an einen Lieblingssatz erinnern, den von Dostojewski: »Schönheit wird die Welt retten.« Nicht immer, aber jetzt.
Das habe ich gestern noch dem Berg versprochen, aus Dankbarkeit, trotz wundem FuÃ, trotz zwei blutenden Zehen und Muskelkater: dass ich ihn einmal umrunde. So gehe ich am Pulari Point los, über zehn Kilometer sollen es sein, fast immer nah dem roten Felsen. Die Begeisterung für ihn nimmt noch zu. Keine Frittenbude, keine Bowlingbahn, kein Parkhaus und kein Minigolf wurden auf ihm, an ihm, neben ihn montiert. Er lieà sich nicht korrumpieren, er ist gigantisch und resistent geblieben. Er weigert sich, modern zu werden.
Vorbei an mehreren sacred sites , stets eingezäunt und mit Warnschild. Hier, so sagen sie, ruht auch die Regenbogenschlange, sie wacht über den Mutitjulo , eine Wasserstelle. Kommt ein Aborigine vorbei und hat Durst, so muss er â laut Märchenstunde â an den Fels schlagen und bestimmte Worte rufen. Und die Schlange hebt den Kopf und die Wellen schwappen rüber zum Wandersmann.
Strammes Gehen beruhigt. Aus meinem Weltempfänger kommt eine ganz unheilige Geschichte, ABC berichtet von Bruce Trevorrow, einem heute 51-jährigen »half-cast« Aborigine, Sohn einer schwarzen Mutter und eines weiÃen Vaters. Er gehört zu den stolen generations , jenen Generationen von »Mischlingen«, die zwischen 1910 und 1970 vom australischen Staatsapparat â rege von den Kirchen unterstützt â ihren Eltern gestohlen wurden. Mit Gewalt, Gewaltandrohung, mit Tricks. Zuletzt waren es 100â000 Gestohlene. Mindestens. Um sie in christlichen Missionen, staatlichen Institutionen und bei Pflegeeltern unterzubringen, fern von Zuhause. Sinn der Ãbung: »to breed out«, rauszuzüchten »das Schwarze, das Primitive, das Wilde«. Um sie somit im Laufe der Jahrzehnte »to whiten«, sie »weià zu machen«. In Einzelfällen war die Entführung das kleinere Ãbel, denn das zerrüttete Elternhaus lieà nichts Gutes hoffen. Oder der eigene Clan hatte
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