Im Land der Regenbogenschlange
kommt nicht in Frage, Bruce Willis' Die hard 0.4 ist auch hier angekommen. Neben sechs anderen amerikanischen Filmen. Nicht die fantastischen amerikanischen, nein, nur der Schrott für den Massenbetrieb. Nicht mal Schrott aus anderen Ländern steht auf dem Programm. Die Globalisierung (wenn wir sie nur hätten), präziser, die Globalisierung der Amerikanisierung, hält keiner auf. Auf vier der sieben Plakate streckt ein Bimbo seine Knarre in die Luft. Die immer gleiche Visitenkarte der Armen im Geiste.
Ich bin unkonzentriert genug und lande in einem Kentucky Fried Chicken. Hartes Neonlicht leuchtet auf Tische mit Pommes-frites-Resten und Ketchup-Flecken. Irgendwo auf dem Parkplatz heult eine Sirene, eine Anzeige blinkt, Apply now , KFC sucht Nachwuchs. Für Sekunden halte ich den Gedanken aus, dass mein Berufsleben als 16-Jähriger in diesem ScheiÃloch beginnt. Mit dem täglichen Blick auf Dutzende fetter Zeitgenossen, Berge von Kalorien schaufelnd. »Bad dreaming«, hat mir ein Aborigine einmal erzählt, nennt er das. Wenn ihn böse Tagträume überfallen. Als ich aufwache, geht es mir sofort besser. Jemand putzt den Tisch, ich kann schreiben. Wörter aufstellen heilt. Ganz gleich, wo. Bis heute weià keiner, warum. Aber so ist es, unverbrüchlich.
Am nächsten Tag wird alles gut, frühmorgens mit einem Greyhound-Bus nach Ayers Rock. Seit Jahrzehnten fantasiere ich von ihm. Heute soll er »wahr« werden. Auf der Karte liegen Alice Springs und der Felsen nebeneinander, das täuscht, die Fahrt geht über 300 Kilometer. Die Welt ist schön, der Himmel wärmt, der freundliche Fahrer erklärt und die zwei anderen Passagiere â zwei junge Engländerinnen â haben ihren DVD -Player installiert und schauen Picture Perfect . Ich sehe kurz hin und erkenne, dass Jennifer Aniston wieder Textzeilen aufsagt, die ihr fingerhutkleines Hirn nicht überfordern.
Es kommt noch besser, in jeder Hinsicht. Das dritte Weltwunder Australiens (nach Cate Blanchett und The Great Barrier Reef) taucht auf, der Monolith, dieses wunderschöne Ungetüm. Und wir zoomen daran vorbei und die Mädels blicken kurz auf (ich habe mir erlaubt, sie darauf hinzuweisen), holen ihre Kameras raus, drücken ein paar Mal den Auslöser und kehren zurück zum â welch Ironie â »Perfekten Foto«. Wie sich die Zeiten wandeln. Nicht die Wirklichkeit zählt, sondern das Bild von ihr. Jetzt haben Susan und Kim den sagenumwobenen Brocken archiviert, er ist ihr Eigentum. Virtuell scheint er ihnen wichtig, in der Realität spielt er keine Rolle mehr.
Fahrer Terence verweist auf den Mount Conner, der sogar mächtiger ist als der Ayers Rock, auch an ihm ziehen wir lange vorbei. Seltsam, nie davon gehört, keiner macht Werbung für ihn. Vielleicht ist es reine Einbildung, aber seine Form hat weniger Eleganz, der Glanz fehlt, er ist nur Brocken ohne Majestät.
Ankunft in Yulara. Jeder sei gewarnt, der Weg zu einem Traum kann dornig sein. Yulara funktioniert als Ayers Rock Resort , als einzige Möglichkeit, in der Gegend ein Bett zu finden und nicht zu verdursten. Der groÃe Wüstennepp, herdenweise werden Japaner, Koreaner, Franzosen, Deutsche und der Rest der Welt abgefertigt. Der Mensch als Stückgut, Fähnchen, Orkan-Musik, Endlosschlangen vor den Rezeptionen der Hotels. Ich kann meine Anwesenheit nur damit rechtfertigen, dass ich in den Berg verliebt bin und Liebe nun mal Opfer verlangt. Keine Horde wird mich bremsen, kein architektonischer Kahlschlag, nicht einmal (schon wieder) Jennifer Aniston, die hier an der Wand hängt. Wie um mich zu retten, fällt mir Balzac ein, der Pariser Schriftsteller, der sich einen Monat lang in eine Kutsche zwängte, um in Kiew seine Geliebte Hatiska zu besuchen. Welch Vorbild.
An der Tür des dormitory (alles andere ausgebucht) steht: »Im Falle von Feuer verlassen Sie Ihr Zimmer und vergessen bitte nicht, es abzuschlieÃen.« Ich lache schon wieder. »Walk on the funny side«, hat mir gestern jemand gemailt. Es geht nicht anders.
Mit einem Minibus zum Rock, etwa zwanzig Kilometer entfernt. Ich bin kindisch und nervös, voll ängstlicher Vorfreude. Ankunft am Mala Car Park , ich steige aus und weiÃ, dass ich verlieren werde. Gegen den eigenen Vorsatz. Denn ich kam mit dem festen Willen, der Versuchung standzuhalten. Steht doch in allen Broschüren, dass die Aborigines nicht wünschen, dass
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