Im Land der Regenbogenschlange
Nachtportier erinnert sich an meinen Anruf und schickt mich in ein sauberes Bett. Ich liebe die Begegnung mit Zeitgenossen, die souverän das Leben der anderen erleichtern. Keine Fragen jetzt, keine Formulare, nur ein Schlüssel, nur ein »sleep well«. So stinken die einen und so sorgen die anderen für den Swing.
Zwangsaufenthalt in dem 3300-Seelen-Dorf. Am Schwarzen Brett der Polizeistation steht, dass im Herbst 1935 Constable Birt in die Luft feuerte. Damit die Goldsucher losrennen und ihren claim abstecken. So kam der Ort in die Welt. Australiens letzter Goldrausch ist längst vorbei, heute geht ein anderer Rausch um. Bei einem kurzen Abstecher ins Krankenhaus erfahre ich, dass die Dialyse-Abteilung schwer beschäftigt ist. Immerhin haben sie hier einen Walk of fame , eine gewisse Ms. Rodeo hat vor Urzeiten ihren Händeabruck auf dem Trottoir hinterlassen und ein gewisser Les Lidell war Citizen of the year 1988 . Seitdem keine Berühmtheiten mehr. Um die Mittagszeit verstrahlt das Nest einen eigenartigen Charme. Absolut niemand auf der StraÃe, die Paterson Street würde jetzt für eine Szene in einem Western taugen. So eine gefährliche Stille in der Luft, so ein Warten auf eine Entscheidung, einen Shoot-out. Aber in Tennant Creek wird nicht mehr geschossen, wohl nur gewartet, immer gewartet.
Neben dem Busbahnhof steht ein Red Rooster -Fast-Food. Man glaubt nicht, welche Ãberraschungen das Leben bereithält. Dort gibt es eine Klimaanlage, eine Steckdose, ein Behindertenklo ( privacy! ), einen Tisch, viereckig, stabil, wie handgemacht für einen Schreiber. Und nach ein paar Stunden gibt es Lance, er übernachtet mit seinem gigantischen Bauch auf der Wiese nebenan, im Schlafsack. Früher Programmierer, jetzt im Pensionsalter sucht er »nach Erleuchtung«. Auf dem Weg dorthin sind ihm ein paar einfachere Wahrheiten abhanden gekommen. Wie die (ewige) Wahrheit, dass Wohlgeruch das Miteinander erleichtert. Lance riecht nach tausend Nächten Zeltplatz ohne Wasser und Seife. Aber ich bin jetzt outback-proof und kippe nicht um. Und es lohnt sich, denn irgenwann schenkt mir der 58-Jährige einen bemerkenswerten Ausdruck: »Toyota-Dreaming«. Das würden die Aborigines heute tun. Denn immer stärker lieÃen sie sich vom Glitzer des weiÃen Mannes verführen. Gingen sie früher zu FuÃ, so wollen sie jetzt ein Auto. Alle und für jeden Meter Entfernung.
Spätnachts einchecken in den Bus. Und ich lerne kurz einen auÃergewöhnlichen Menschen kennen. Umso auÃergewöhnlicher, da es sich um einen Greyhound-Fahrer handelt. Er spricht mit einem Aborigine, der schwankend einsteigt, fragt ihn ruhig, ob er intoxinated sei. Eine rhetorische Frage, denn noch nasse Urinspuren ziehen über das linke Hosenbein. Und erklärt ihm, dass er ihn nicht mitnehmen kann, auch aus Rücksicht auf die anderen Fahrgäste. Fragt ihn geduldig, ob er das einsehe und damit einverstanden sei. Und der Sturzbetrunkene murmelt Ja, der Fahrer schreibt das Ticket um, gibt es mit der Bitte (ja: Bitte) zurück, morgen trocken wiederzukommen. Das ist eine faire Lösung. Der gesamte Zwischenfall findet ohne hinterhältigen Ton statt, ohne Entwürdigung des andern.
Frühmorgens in Mount Isa, hübsche Stadt, Bergarbeiterstadt, Männerstadt. Drei von ihnen, behaupten sie hier, müssen sich eine Frau teilen. Reiche Stadt, Königreiche voller Blei, Zink, Silber und Eisenerz liegen unter der Erde.
Kurz nach zehn bin ich am Buchanan Park, hier liegt das Rodeostadion, der Jahrmarkt, hier haben Fred und seine Leute das Boxing Tent aufgestellt. Am Hinterausgang steht ihr Camp , hier kommen Freunde vorbei, hier wird gekocht, hier sitzen sie entspannt im Kreis und trinken â ich bin Zeuge, ich war da â ein knappes Tausend Dosen Bier pro 24 Stunden. Fred stellt mich supercool vor, ich bin der Typ aus Deutschland, der über ihn schreiben wird. Der kleine Nebensatz ist wichtig, denn obwohl alle jetzt wissen, dass ich Reporter bin (ich musste es Fred ja sagen, um an ihn ranzukommen), wird jeder bei mir beichten. Und ich werde wieder einmal staunen, wie rückhaltlos die Sehnsucht sein kann, alles preiszugeben. Jetzt kommen die harten Storys, die Outback-Epen, die filterlosen, die Männer nur Männern erzählen. Wir haben Zeit, die Kämpfe beginnen erst abends.
Jemand reicht mir ein Bier und Jack soll der Erste sein. Er ist drall, fleischig, 56 und
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